Holger Koch
Grauburgunder „Steinfelsen“ (Edition Pinard de Picard) 2023

Vielschichtige Verbindung von Säure und Frucht

Der „Steinfelsen“ ist ein Name, der zum markanten Grauburgunder gut passt. Doch eigentlich wäre „Amerika“ als Name angebracht, denn von dieser kühlen Parzelle stammen die Trauben für diesen beliebten Weißwein. In Bickensohl nannte man diese Westlage so, weil der Weg zu ihr so weit schien wie ins ferne Amerika. Die kühlere Art dieses Grauburgunders wird mit den gebrauchten Fässern – es sind Gebinde mit 500 und 1.200-Litern Fassungsvermögen – noch unterstützt. Man darf sich das wie bei einem Ölbild vorstellen; vor dem Hintergrund erst strahlt die Figur erst so richtig. Ähnlich hält es der 2023er-„Steinfelsen“. Eine auch optisch als Kupferschimmer erkennbare Zugabe von maische-vergorener Trauben (2023 waren es 7 %) bringt Struktur in den Wein, die man getrost als seine Grundierung bezeichnen kann. Die weiteren Pinselstriche zieht Holger Kochs Burgunder dann aber mit feinem Pinsel, allerdings auch sehr nachdrücklich.

Denn es gibt Weine, die einen – Marcel Prousts Madeleine gleich – auf eine Reise den Zeitstrahl zurück, in die eigene Vergangenheit, senden. Wer als junges Wesen am großelterlichen Anwesen die Äpfel zusammenklaubte, wird diesen Geruch sein Lebtag in der Nase, vor allem aber auch im Gedächtnis haben. Der „Steinfelsen“ bringt diese Reminiszenzen zurück und packt sie weich. Denn auch ein Quäntchen Vanillecreme und Butterkeks ist zu riechen, sobald der 2023 das Burgunderglas netzt. Haselnuss und Tulpen agieren als Sekundanten und bilden die Ränder dieses weit aufgespannten Duftteppichs. Nicht minder komplex zeigt sich der Koch’sche Grauburgunder auf der Zunge. Hier liefert er einen taktilen Reiz, der in seiner Widersprüchlichkeit hohen Reiz besitzt. Denn die Säure des jugendlichen 2023ers ist natürlich zu spüren, doch auch die Cremigkeit merkt man. Während man noch über diese Janusköpfigkeit nachsinniert, schlägt die gelbe Frucht von Mirabelle und Aprikose aber um. Es ist die Würze des vulkanischen Bodens am Kaiserstuhl, die jetzt mit einer fein pfeffrigen Pikanz das Finale einleitet. Was sich in schriftlicher Form wie eine klar abgezirkelte Abfolge von Geschmackseindrücken liest, ist auf den Papillen aber eine Woge an Vielschichtigkeit. Denn jugendliche Säure, gelbe Früchte und Würzigkeit (ebenfalls in Curry-Gelb) sind bereits jetzt eng verzahnt. Und wer Kochs Weine kennt, weiß, dass daraus im Keller ein noch genüsslicheres Konglomerat erwächst.

Ab sofort bis 2034.