So attraktiv kann feinherb schmecken – ein Plädoyer für die unterschätzte Kabinett-Klasse. 93 Punkte – MOSEL FINE WINES
Es ist eine anspruchsvolle, aber auch hedonistische Angelegenheit, die Rieslinge vom Hofgut Falkenstein in allen Gewichtsklassen und Restsüße-Dotierungen miteinander zu vergleichen. Eines vorweg: Das Schwierigste daran ist sich festzulegen, ob denn nun die trockenen, feinherben oder restsüßen Weine im sensorischen Duell vorne liegen. Denn es ist schlichtweg nicht möglich. Alle Rieslinge vom Hofgut Falkenstein gehören zu den individuellsten, spannungsreichsten und dabei elegantesten in diesem Weinland, was der minimalistischen, geradezu archaischen Methodik der Winzerfamilie Weber geschuldet ist: klassische Weinbereitung wie vor hundert Jahren, schweißtreibende Handarbeit in den Steillagen mit bis zu neunzig Jahre alten Reben, ein Teil davon mit wurzelechten Stöcken, Fuder-genaue Vinifikation im 1000-Liter-Fuder aus heimischer Eiche. Die Trauben für den feinherben Kabinett aus dem Fass „Herbert“ stammen aus dem nach Süd-Ost ausgerichteten Herrenberg in Niedermennig, die Reben stehen auf einer geologisch interessanten Melange aus eisenreichem Grauschiefer, Quarz, Sandstein und auch vulkanischem Basalt. Im Duft noch dicht und verschlossen, zuerst kühle Mineralik, kühles Gestein, mit Luft gesellen sich getrocknete Aprikosen, Weinbergpfirsich, weiße Grapefruit, Limettenzeste, frische Kräuter von Kresse und Thymian dazu. Am Gaumen mit kaum wahrnehmbarer Süße bei der typisch mundwässernden Säure mit viel Zug und Aktionsradius, sehr balancierter weicher Mittelteil mit feiner gelber Frucht, Aprikosen, Mirabellen, aparte grüne Banane, die sich perfekt eingefügt. Am Ende zieht mineralische-schiefrige Würze nochmal an, begleitet von Kräuternoten im Finale. Verspielt tänzelnd, dennoch mit Tiefgang, schwebt er beinahe durch die Mundhöhle. Da fangen selbst die alten Weingötter der Mosel und Saar an zu schwelgen. Und jetzt soll noch jemand sagen, dass feinherb eine Kategorie ist, mit dem er nichts anfangen könne: Einfach mal probieren und sich verzaubern lassen!
Ab sofort bis 2043+.
Der verspielt tänzelnde Riesling Niedermenniger Herrenberg aus dem Jahr 2023 vom Hofgut Falkenstein ist ein Plädoyer