94/100 – VINUM WEINGUIDE 2025
Im archaischen Gewölbekeller des Hofguts Falkenstein gelingen Rieslinge wie diese trockene Spätlese 2023 auf natürliche Art.
Im Gewölbekeller des Hofguts Falkenstein ist die Zeit stehen geblieben, an den Wänden wuchert schwarzer Schimmel, im Gewölbe habe sich ein „eigener Kellerton“ entwickelt, sagt Erich Weber, und der sei ganz wichtig. Die Sedimentation findet in alten 1000-Liter-Moselfudern aus heimischer Eiche statt, wo auch die Moste spontan vergären. „Hände weg“ ist die grundlegende Devise im Keller: Der Wein wird nie angereichert, konzentriert, geschönt, angesäuert oder entsäuert. „Jeder Eingriff nimmt den Standortgeschmack weg“, weiß Weber, der seine Lagen kennt wie wenige andere Winzer: Schließlich verbringt er dort auch die meiste Zeit. Mit weniger Handgriffen kann man keinen Wein machen, es braucht aber auch nicht mehr: „Wir lassen das Mysterium des Weins wirken“, sagt Erich Weber, auch wenn man das „nicht immer fassen kann“. Im Hofgut wird noch Fuder für Fuder abgefüllt, wie es einmal üblich war an der Saar. Es kann mehrere Fässer aus einer Lage geben, aber mit unterschiedlichen Amtlichen Prüfungsnummern. Die Fuder tragen kuriose Namen wie Meyer Nepal, Kugel Peter, Gisela oder Lorenz Manni und sollen an die vorigen Besitzer der Weinberge erinnern, Erich Weber hat immer große Freude daran, sie mit Kreide zu bekritzeln. Einige Gewanne, die lange Zeit im Besitz der Kirche waren, hat Weber nach den ursprünglichen Besitzern benannt wie Ober Schäfershaus. Ein Weinberg, der neben der Krettnacher Kirche liegt, in der Erich Weber auch als Ministrant diente und der in Richtung des Wiltinger Scharzhofbergs blickt, der berühmtesten Lage an der Saar. Im Gewann Ober Schäfershaus ist der Boden basaltischen Ursprungs mit großen Vulkansteinen im Untergrund. Im Lese- und Vinifikations-Prozess befolgen Erich und Johannes Weber stets ein einfaches, wenn auch arbeitsreiches Procedere: Die Trauben wurden sorgfältig von Hand gelesen, nach der Ganztraubenpressung begann die Vergärung mit Weinbergs- und Keller-eigenen Hefen in einem gebrauchten Fuder. Klarer, direkter und unverblümter Duft, kühler Gebirgsbach, frisch gefallener Schnee. Eine anziehende und energiegetragene Melange aus Apfel, Apfelschale und kühler, schiefrig-würziger Mineralik, kein unnötiger Fruchtballast, kräutrig, Brunnenkresse, nur dezent Gelbfrucht, Aprikose und auch Pfirsich, mehr frisch geschälter Rhabarber. Steinige Saar-Aura, Feuerstein und Graphit. Am Gaumen voller Spannung und Energie, enorm kristallin und fokussiert in seinem linearen Vorwärtsdrang, dicht im feinmaschigen Extrakt, druckvoll, angeschoben von der typischen straffen und delikaten Säure, elegant, verspielt und geschliffen, mit der Salzigkeit, die das Terroir mitbringt. Eine kühle, glockenklare Interpretation der Spätlese, der feine Saft fließt, in der Gaumenmitte mit einer seidigen Textur, zitrisch-salin mit etwas Brennnessel im Ausklang, der sich in die Länge zieht. Wirkt sehr natürlich und ungemacht, ein Wein der sich nur als Paradoxon beschreiben lässt, als federleichter, tänzelnder Kraftakt.
Ab sofort und sicher bis 2040.
Falkensteins trockene Riesling-Spätlese von 2023 aus dem Krettnacher Ober Schäferhaus entfaltet sich als federleichter, tänzelnder Kraftakt.