Der Langstreckenläufer unter den vier Deidesheimer von-Winning-GGs!
Der Kieselberg vervollständigt das Quartett der Großen Gewächse, die das Weingut von Winning in Deidesheim vom Riesling keltert. Er liegt auf einem flachen Hochplateau oberhalb von Deidesheim im Windschatten der Haardt-Berge. Der nach Süden ausgerichtete Weinberg auf 125 bis 145 Meter Höhe liefert regelmäßig Bilderbuch-Trauben mit hohen Reifegraden. Die Reben fühlen sich wohl auf dem für die Region typischen Buntsandsteinverwitterungsboden, der von Kalkanteilen und sandigem Lehm durchmischt wird. Die als seriös geltende Lagenklassifizierung von 1828 stufte den Kieselberg als eine der besten Lagen in der gesamten Pfalz ein. Der Riesling wurde nach bewährter Manier spontan mit natürlichen Hefestämmen in 500-Liter-Fässern aus Eichenholz vergoren und bekam 18 Monate Zeit, um auf der Vollhefe zu reifen und Kontur zu gewinnen. An dieser Stelle gebietet es sich noch mal auf den stilprägenden Holzeinsatz beim Riesling einzugehen, den Stephan Attmann mit seinem Team über die vergangenen Jahre perfektioniert hat: Sie erhalten durch einen penibel kalkulierten und feinfühligen Ausbau in feinsten Eichenfässern ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten: Trüb und ohne künstliche Kühlung vergären die Rieslinge im Holz, wo die wertvollen Phenole polymerisieren und den Weinen eine komplexe Aromatik und Tiefenstruktur verleihen: Beim Kieselberg ist das Holz so fein eingebunden, dass es die Struktur des Weines stützt, ohne ihn zu beschweren und den Fruchtausdruck zu maskieren. Der Gutsleiter begründete durch dieses in Deutschland innovative Holzmanagement eine neue Dimension des Rieslings, die Schule machen sollte und viele Nachahmer fand. In der Nase zunächst etwas verhalten, rauchig, heiße Maronen, Aromen von getrockneter Limettenschale, saftige Aprikose, Passionsfrucht, Mandarinenschale, Apfels, frisch geschnittener Ingwer. Auch Cidre, kräuterig, etwas Pfeffer. Eröffnet am Gaumen mit saftiger Frucht, frisch gepresster Apfelsaft, Mango, Steinobst, klar im Ausdruck, kristallin, trocken, aber nicht karg, feiner Schmelz. Nasser Stein, trinkanimierend, ausgewogen, kein Extraktmonster, jedoch mit guter Dichte, ein Spritzer Zitronensaft sorgt für einen Frischeschub und unterstützt die feingliedrige, kühl anmutig wirkende Säure, etwas weißer Pfeffer und Ingwer, endet mit herbem Apfel und Grapefruit. Von den vier Großen Gewächsen ist der Kieselberg derzeit noch nicht gänzlich dekodiert, er birgt einiges Zukunftspotenzial: Er ist ein Langstreckenläufer, der oft erst nach Jahren weitere Dimensionen zeigt und freigibt. Mit etwas Belüftung wird er eindringlicher, auch würziger und salziger, etwas Austernwasser im Ausklang. Absolut faszinierend, wie unterschiedlich die nah beieinander liegenden Lagen Grainhübel, Kalkofen, Kieselberg und Langenmorgen ausfallen. Das ist praktizierte, handfeste Terroir-Lehre!
Sofortiger Trinkgenuss, bis 2038+.
Das Große Gewächs Kieselberg vom Weingut von Winning aus 2022 imponiert mit charmanter Frucht und birgt noch großes Potenzial.