DE-ÖKO-006
Tusch und Vorhang auf für ein historisches Gewann: der erste Riesling „Auf dem Kalkofen“
Wenn man sich mit historisch bedeutsamen, aber lange in Vergessenheit geratenen Lagen beschäftigt, muss man eine Zeit lang Erfahrungen sammeln, um sie nach und nach zu verstehen. So erging es auch H.O. Spanier, der sich seit den 1990ern intensiv mit dem Zellertal auseinandersetzt. Seit vielen Jahren gibt es bereits den Ortswein „Möhlsheim“ und seit einigen Jahren auch den Ortswein „Zellertal“, der aus den Pfälzer Lagen des Tales stammt. In den „Möhlsheim“ floss bisher auch der Riesling aus dem Gewann „Auf dem Kalkofen“ ein, das früher eine eigene Lage war, aber im Zuge der Neuordnung nach dem Weingesetz von 1971 dem Silberberg zugeschlagen wurde. Mit dem Jahrgang 2023 haben sich H. O. und Carolin entschlossen, diese Parzelle und den besonders eleganten und tiefgründigen Wein, der hier entstehen kann, wieder aufleben zu lassen, nachdem sich das Fass für den „Möhlsheim“ immer als äußerst eigenständig erwiesen hatte.
Angebaut werden die Reben hier natürlich wie alle anderen auch, nämlich im „dry farming“ nach biodynamischen Methoden. Die Trauben wurden von Hand gelesen, langsam gepresst, im traditionellen Stückfass spontan vergoren und auf der Feinhefe ausgebaut. Der Jahrgang 2023 war in seiner Entwicklung „nicht ohne“, aber an diesem Ort auch nicht allzu problematisch. Er schwankte zwischen Hitze und Trockenheit im Juni und Juli und Nässe im Mai, August und während der Lese. „Es war ein handwerklicher Jahrgang“, beschreibt ihn Carolin Spanier-Gillot, in dem früh entblättert wurde, wodurch die Traubenhäute dick und widerstandsfähig wurden, so dass Botrytis und Traubenfäule den Beeren während der Lese nicht viel anhaben konnten. Positiv wirkten sich vor allem die kühlen Nächte aus, die den Weinen eine feingliedrige Säure verliehen.
Der junge „Kalkofen“ präsentiert sich in einem leuchtenden, tiefen Gelb und einem sehr klaren, präzisen, hellen und zitrischen Bukett. Eigentlich ist das nicht nur ein Battenfeld Spanier, sondern er wirkt auch so, als wären ein paar Kellen Seckinger-Wein hineingeflossen. Das ist gar nicht so abwegig, denn Weine wie Jonas Seckingers Kieselberg stehen in der Tradition von Bernd Philippi oder Hans-Günther Schwarz. Auch der „Kalkofen“ trägt diese alte Schule in sich. Der Wein duftet fein und elegant, dazu brillant und präzise nach Zitronensaft und -schale mit einem Hauch von Yuzu, etwas grüner Ananas, Stein und Petrichor, gemahlenem Feuerstein und duftig weißen Blütennoten. Am Gaumen offenbart der brillante Riesling eine glasklare, geschliffenen Säure, dazu die tänzelnde, wieder vor allem zitrisch helle Frucht und die animierende Salzigkeit. Der Clou: Bei aller kalkigen Mineralität und druckvollen Säure wirkt der Wein nicht karg, sondern profitiert von einer eleganten, leicht seidigen Textur, die eine zusätzliche Dimension in dieses Erste Gewächs bringt, von dem andere froh wären, es als „Großes Gewächs“ anbieten zu können – so gut ist es!
Der Riesling trinkt sich jetzt mit Luft und Zeit und wird sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren hervorragend entwickeln.
Auf dem Kalkofen ist eine alte Lage in Mölsheim, die 1971 einer anderen Lage zugeschlagen wurde und in Verruf geriet. Nun lebt sie, dank H. O., wieder auf!