DE-ÖKO-022
Heerkretz: „Das Meisterstück“ – Romana Echensperger MW | 98 Punkte - JAMES SUCKLING
Siefersheim ist wahrlich der vulkanische Brückenkopf Rheinhessens zur Nahe. Hier ändert sich auf wenigen hunderten Metern das komplette Landschaftsbild. Und auf der Kuppe der „Heerkretz“ findet sich pure Heidelandschaft, mit extrem sauren und kargen Böden und einer ungewöhnlichen Flora, ein Spaziergang durch dieses Gelände ist absolut beeindruckend. Daniel Wagner machte nicht nur die Lage Heerkretz berühmt, sondern brachte durch seine exzeptionellen Weine aus diesen im Wortsinne WeinBERG(!) auch Siefersheim insgesamt wieder zurück auf die Landkarten der Weinwelt, ja schuf ein neues Bewusstsein um die Vorzüge und Eigenheiten dieser eigenständigen Grenzregion Rheinhessens. „Dank ihm ist diese Lage markanter Eckpfeiler einer neuen, aufregenden Weinkultur.“ So das Urteil des Gault&Millau. Heerkretz ist ungewöhnlich steil, passt so gar nicht in das eher von Flach- und sanftem Hügelland geprägte Rheinhessen. Diese jäh nach unten stürzende Flanke in Südexposition ist spektakulär und neben dem Roten Hang in Nierstein wohl die beeindruckendste Lage Rheinhessens. Wie der Höllberg ist auch die Heerkretz durch eine vulkanische Erhebung entstanden. Porphyr mit einer satten Lehmauflage prägen die Lage, Trockenheit ist hier weniger ein Problem, denn vitale Böden und die Lehmauflage sorgen dafür, dass das Regenwasser gut aufgenommen wird.
Die Heerkretz lag bis Ende der 1980er-Jahre völlig brach, war verwildert, mit Gestrüpp und Dornenbüschen überwuchert. Daniel, der aufgrund alten Kartenmaterials wusste, dass vor Generationen hier Riselingangebaut wurde, war der Pionier bei der Rekultivierung dieses Weinbergs. Er erwarb Ende der 1990er völlig verbuschte Parzellen, rodete und begann, sie neu zu bewirtschaften und dehnte die Flächen sukzessive aus. Heute zählt die Heerkretz zu den besten Lagen Rheinhessens!
Ein großer Unterschied zum Höllberg ist die Windoffenheit. Hier am Hang fegt der Wind durch, liefert kühle Luftströme. Und diesen Unterschied schmeckt man auch im Glas. Die Heerkretz ist immer kühler, schlanker und wohl der reduzierteste Riesling im Hause Wagner-Stempel. Heerkretz ist der Wein für Puristen und Terroirliebhaber! Im Jahrgang 2023 kommt ihr der Höllberg dank guter Niederschläge vor der Ernte (die eigentliche Achillesverse der sonnenverwöhnten Lage) erstaunlich nahe. Allerdings unterscheidet sich die Heerkretz darüber hinaus nochmals im Ausbau. Daniel Wagner legte den trockenen Riesling mit 80 % nahezu komplett in den Stahltank und verzichtete (wie in den letzten Jahren häufiger) auf Maischestandzeit. Denn das Lesegut hatte bereits eine gute Grundreife, es galt also Opulenz im Keller zu vermeiden. Das Ergebnis ist eine Heerkretz, die ungemein dunkel und würzig erscheint. Ein Hauch gerösteter Sesam, etwas Graphit und ein Anflug von Minze mit nicht zu reifer Ananas vermischen sich im dichten Bouquet. Am Gaumen nimmt sich der Riesling herrlich flintig aus, zeigt in subtiler Andeutung Ananas uns Sternfrucht, leuchtet hier – im Gegensatz zur dunklen Nase – geradezu in seiner Brillanz. Kein Riesling für Burgundtrinker, sondern für Liebhaber messerscharfer und geradliniger Weißweine. Im sinnlichen Nachhall zeigt sich das Heerkretz-GG zunächst fast floral, entwickelt dann Aromen von ganz reifer und nicht bitter schmeckender Pampelmuse. Dieser dermaßen präzise und terroirgeprägt Wein gehört 2023 ganz eindeutig zu den größten trockenen Rieslingen.
PS: Von der Exzellenz der Heerkretz durften wir uns vergangenen Sommer ein Bild machen. Hier präsentierte Daniel Wagner alle 20 Jahrgänge seines Paraderieslings, der mit seiner bis zu 60%-igen Hangneigung zu den eindrucksvollsten Rieslingen gezählt werden muss. Beeindruckend war für uns, mit welcher Konstanz die Heerkretz sich nicht nur über die Jahrgänge hebt, sondern auch bei allen stilistischen wie handwerklichen Verfeinerungen ihren Lagencharakter unverkennbar zeigt und dabei stets die Eigenheiten des Jahres quasi als Bonus wiedergibt um die Lage von allen Seiten zu beleuchten. Heerkretz ist stets gelbwürzig, je nach Jahrgang stark geprägt von zestigen, limettigen und zitrischen Aromen, von saftigen gelben Pampelmusen über Amalfizitronen bis hin zu Kumquats und Orangenabrieb und dabei besonders salzig im Nachhall und kühl im Kern. Mit dem Jahrgang 2009 wurde dann nach einer ersten knappen Dekade nochmals ein neues Niveau erreicht. Unsere persönlichen Favoriten waren die Jahrgänge 2002, 2009 (der bessere 2008er sozusagen), 2017 (salzig, dramatisch, pur) und 2013, dicht gefolgt von 2004 und 2007. Enorm spannend werden 2016 und 2012, die noch etwas Fleischigkeit für viele Jahre Reife besitzen und der dichte 2020er. Die Überraschung der Probe war gewiss der 2003er, der souverän kraftvoll aber mineralisch am Gaumen kreiste, wenngleich die niedrige Säure eben eine andere Art Riesling hervorbringt. Wenige 2003er zeigen sich heutzutage noch so ausgewogen.
Zu genießen ab sofort, Höhepunkt 2026 bis 2048+.
Das Große Gewächs (GG) von der Heerkretz darf man 2023 getrost zu Rheinhessens besten trockenen Rieslingen zählen. Ein Meisterstück aus Siefersheim.