Vieux Donjon
„Le Vieux Donjon“ Châteauneuf-du-Pape, rouge 2022

Trotzt unbeirrt dem Zeitgeist: kraftvollen und großzügig mit Wärme und Eleganz. 93–95 Punkte – JEB DUNNUCK

Der Ort Châteauneuf-du-Pape ist nicht mehr als ein steiniges Dörfchen in der trockenen, duftenden, provenzalischen Landschaft, über dem die Ruine einer früheren päpstlichen Sommerresidenz thront. Der Wein mit diesem imposanten Namen aber ist der stolze Vorreiter und Inbegriff der dynamischen südlichen Rhône, die eine große und treue Fangemeinschaft um sich geschart hat: Zu einem der großen Liebhaber der wohl kraftvollsten und würzigsten Weine Frankreichs gehörte auch Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Charles de Gaulle, der manche Entscheidung bei einem Glas mächtigen Châteauneuf-du-Pape getroffen und so auch die Weltgeschichte mitgeprägt haben soll. Das Klima an der südlichen Rhône ist heiß und trocken, für Kühle sorgt der Mistral, ein kalter, trockener und oft stürmischer Fallwind. Die für die Châteauneuf-du-Pape typischen und bekannten „galets“ – rundliche Steine, die tagsüber Wärme speichern und in der Nacht wieder abgeben – finden sich auch in den Rebflächen des Weinguts Vieux Donjon in Châteauneuf, das aber auch über andere Terroirs verfügt wie die Kalkstein-reichen Böden in Cabrières und le Pied Long, oder rote, eisenreiche Erde bei Bois de Boursan: Es ist ein geologischer Schatz, den die Winzer-Familie Michel seit drei Generationen mit Sorgfalt und Liebe hütet, ohne Zugeständnisse an den Zeitgeist und modische Trends. Jahr für Jahr wird unbeirrt nur ein Rot- und ein Weißwein gefüllt, die stets zuverlässig große Qualität erreichen. Es gibt wohl kein anderes Weingut in der Region, das seine ganze Energie in ein so überschaubares Sortiment fließen lässt. Inzwischen bewirtschaften die Geschwister Claire Fabre und François Michel die 15 Hektar Weinberge mit 60 bis 110 Jahre alte Reben auf schonende Weise, die Vinifizierung verläuft nach überlieferter Tradition: Gelesen wird erst, wenn die Trauben vollständig reif sind, sie werden zu 50 Prozent entrappt und im Betontank spontan vergoren. Danach reifen die Weine im Holzfuder ohne jegliche Schönung und Filtrierung. Die rote Cuvée „Le Vieux Donjon“ setzt sich in jedem Jahr annähernd gleich zusammen: Den Hauptteil bilden rund 75 % Grenache, der ergänzt wird mit jeweils zehn Prozent Mourvèdre und Syrah sowie etwas Cinsault. Das heiße und trockene Jahr 2022 war eine große Herausforderung für die Winzer der südlichen Rhône. Claire Fabre und François Michel ist es dennoch gelungen, einen außergewöhnlichen Châteauneuf-du-Pape zu keltern, ein dichtes und kompaktes Kraftpaket mit viel Charme und Eleganz. Im Duft vielschichtig und mit viel Würze, Zimt, Nelken, Rauch, fleischig-saftig, frisch gebratener Speck, Garrigue-Kräutern, Brombeeren, Pflaumen, Schlehe, dunkle Kirschen, Orangenzeste, auch Salmiak-Pastillen. Am Gaumen vor Kraft strotzend und vollmundig, mit großer Balance, mineralische Würze verbindet sich nahtlos mit der saftigen Frucht, der gut eingebundene Alkohol wirkt wärmend wie eine Umarmung. Das seidige Tannin gibt Profil und die überraschend präsente und gut eingewobene Säure sorgt für Frische und Länge. „Le Vieux Donjon“ ist nicht nur ein zeitloser Klassiker: Er ist die ungekünstelte und natürliche Essenz einer warmen und großzügigen Landschaft, die man mit jedem Schluck spüren kann.

Sollte noch in die Karaffe, großes Reifevermögen bis mindestens 2040.