Terroir-Ausdruck in Vollendung – und die Rebsorten werden zu Hauptakteuren!
95/100 – Parker Wine Advocate
94/100 – Jeb Dunnuck
Neben den für die AOC Châteauneuf-du-Pape zugelassenen Rebsorten für Rotweine sind sieben weiße Sorten im Reglement aufgelistet: Grenache Blanc, Bourboulenc, Clairette, Roussanne, Picpoul, Picardin. Paul-Vincent Avril, der Clos des Papes seit Ende der 1980er-Jahre leitet, hat sein Handwerk im Burgund gelernt. Wie viele Winzer, die dort ausgebildet wurden, hat auch er die burgundische Lehre eingesogen: Ein Wein wächst, er wird nicht gemacht! An den Ausdruck von Terroir wird niemals Hand angelegt. Diesen Ausdruck haben wahrlich nur wenige so vollendet eingefangen, wie er. Seine Jahrgänge des roten Châteauneuf-du-Pape werden weltweit gefeiert – Sätze wie „Der beste Rotwein der Welt“ lassen uns in etwa ahnen, was er erreicht hat. Der Weißwein aus dieser AOC scheint die Welt weit weniger zu Begeisterungsstürmen und Superlativen anzuregen – was für uns völlig unverständlich ist. Die Arbeit ist die gleiche, die Selektion (in der Region „tris“ genannt) weißer Trauben erfordert dieselbe Intensität von Wissen und Instinkt – und im Falle des Châteauneuf-du-Pape blanc eine ähnlich lange Liste von Entscheidungen, wie sie für den Roten gefällt wurden. Avrils interessanteste Entscheidung für seinen Weißen ist es, sämtliche zugelassenen Rebsorten zu verwenden (was seine Nachbarn nur selten tun). Hier können wir die faszinierende Konsequenz seines Terroirverständnisses mühelos ablesen. Der Begriff Terroir beinhaltet für ihn nicht nur Geologie, Klimaten, Techniken. Hier will er ganz klar zeigen, wer die eigentlichen Akteure des Ganzen sind: die Rebsorten. Seinem persönlichen, ja fast freundschaftlichen Verhältnis zu seinen gobelets hat er auf dem Etikett seines „kleinen“ Weines ja ein Denkmal gesetzt (Es zeigt ihn, wie er einem Gobelet zuprostet). Diese Akteure sind es, die Jahr für Jahr sich Wasser aus Tiefen erkämpfen (Er hält rein garnichts von Bewässerung; die so verwöhnten Parzellen würden nur rasch eine Abhängigkeit entwickeln und nicht mehr ohne auskommen), die Sonne, Luft und Mineralstoffe zu diesem Mysterium Wein umwandeln – eben die, die die eigentliche Arbeit machen. Sie sind für ihn bestimmende Faktoren des Terroirs, zu dessen Tugenden gehört eben auch, durch ein hart erkämpftes Reglement (seine Familie war in den 1920er- und 30er-ahren daran stark beteiligt), die Festlegung der Sorten. Drei Hektar seiner insgesamt 40 sind mit diesen Akteuren bepflanzt. Ihre Trauben werden im Weinberg streng von Hand selektiert (nicht auf dem Tisch, wie er immer wieder betont); sie werden schleunigst abgepresst und zusammen bei niedrigen Temperaturen (die Aromenvielfalt kommt nicht von ungefähr) von eigenen Hefen vergoren (Säureabbau wird streng vermieden). Fünf Monate darf der Wein auf seiner Feinhefe im Edelstahl reifen, bevor er abgefüllt wird.
Was seine Akteure 2023 geschaffen haben, ist schlicht phänomenal: Der Kork ist kaum aus der Flasche (wir haben uns an Avrils Vorgabe von 12 °C Trinktemperatur gehalten) und schon ist der Raum von Düften erfüllt. Blüten (Akazie, Neroli, Jasmin, Lilie, Ginster) und Frucht (Birne, Birne, Birne, Pfirsich, Zitrone, Orange, Mandarine, Aprikose, Melone, Quitte, Stachelbeere, Ananas, Papaya und ja: Erdbeere) kommen schon fast geschoben aus dem Glas. Nach ein Paar Momenten wird uns bewusst, dass diese Aromen (hinzu treten: Honig, Ingwer, Butter, Vanille, Karamell, Flint, Kerosin, Minze, Marzipan, frisches Heu, Majoran) keineswegs in Blöcken agieren, sondern sich vielmehr als hochkomplexes Geflecht präsentieren. Am Gaumen werden sie von einer wunderbaren Wärme sanft entflochten. Die geschmeidige Säure und der Alkohol sorgen für elegante Helligkeit. Der Ausklang ist wahrlich ewig und in den letzten Momenten der Wahrnehmbarkeit immer noch mit Spannung versehen. Es geht einfach nicht größer! Wir prosten seinen Akteuren anerkennend zu!
Ab sofort bis mindestens 2038+.
Paul-Vincent Avril von Clos des Papes überlässt seinen Rebsorten die Inszenierung. Ergebnis: ein gigantischer weißer Châteauneuf-du-Pape 2023.