Würziges, vom vom Terroir geprägtes Meisterwerk der Teuliers
„VV“ – gottlob sind Vieilles Vignes im Marcillac mittlerweile keine große Seltenheit mehr. Dort hatte im Jahre 1956 ein fürchterlicher Frost – die Temperaturen erreichten urplötzlich fantastische Minusgrade – die Reb-Bestände fast völlig vernichtet. In den Folgejahren mussten die wenigen Winzer, die danach noch Kraft und Lust hatten faktisch bei null anfangen. Mit diesem Neuanfang – eine Manifestation dieses so feiernswürdigen französischen Trotzes – ging auch gleich eine völlige Neuausrichtung des Marcillac einher. Man zeigte sich so selbstbewusst, dass man der Rebe Fer Servadou den Vorzug gab, sie als Alleinstellungsmerkmal etablierte – ein Terroir, eine Sorte! Dies brachte letztlich den erwünschten Erfolg: heute ist Wein der AOC Marcillac zwar nicht zum lukrativen Modewein geworden, aber hat sich in den Mündern einer Vielzahl von Liebhabern als eine besonderer Geheimtipp gut eingerichtet. Wer heute seine Gäste gerne mit einer Spezialität bewirten möchte, der greift zu diesen Mansois (so wird der Fer Servadou auch genannt) und erweitert deren Horizont auf das Unterhaltsamste.
Diese 50 Jahre alten Reben liefern Trauben, die vor der Einmaischung sorgsam entrappt werden. In Edelstahltanks erfolgen bei kontrollierter Temperatur eine ganze Reihe von Maßnahmen, die extrahieren sollen, was gewünscht ist; und natürlich alles aus dem Wein fernhalten, was diesen unelegant machen könnte. Es wird der Tresterhut hinuntergestoßen (pigeage), um Farbe und Tannine herauszulösen, ohne die Aromen durch Sauerstoffkontakt zu gefährden. Um die Frucht mit der Würze in ein gewünschtes Gleichgewicht zu bringen, wird der Tresterhut überschwallt (remontage). Die ebenfalls durchgeführte délestage bewahrt vor etwaiger Bitternis, indem beim Umpumpen in ein zweites Gefäß die Traubenkerne herausgesiebt werden. Nach etwa 18 Monaten Reifezeit in foudres (tatsächlich 30 Jahre alte Fässer) gelangt der „VV“ in seine Flaschen.
Diese Handwerkskunst hat ein wahres Meisterwerk in die Gläser gezaubert: ein kräftiges Granatrot leuchtet uns bei sachter Bewegung schon an. Zuerst treten dunkle Würze (Wacholder, Kaffee, mexikanische Schokolade, Rauch, Steinpilze, schwarzer Pfeffer, Teer, Leder, Zigarre, Eukalyptus, nasse Kiesel) und dezente Frucht (Kirsche, Cassis, Pflaume, Erdbeere, Olive) hervor, wachsen sehr langsam an, bis eine belebende Herzhaftigkeit (erinnert an einen komplex gewürzten Braten) schließlich den ersten Schluck unvermeidbar werden lässt. Eleganz und Ebenmaß sind die Begriffe, die uns dann zuerst einfallen wollen. Klar definierte Säure und Wärme stehen in Dialog, während die Tannine einen samtenen Rahmen um das Geschehen legen. Die Aromen (nun auch Flieder) nehmen überall dazwischen ihren Platz ein und wenn der Marcillac im Mund bewegt wird, kann es richtig aufregend werden. Ein dezenter, aber ausgedehnter Abgang wirkt wie eine Aufforderung, einen nächsten Schluck zu nehmen – dieses Signal verstehen wir naturgemäß allzu gut und sind brav. Santé!
Ab sofort bis mindestens 2032+.
Die Teuliers von der Domaine du Cros haben auch 2022 mit dem „VV – Vieilles Vignes“ ein Meisterwerk von Marcillac in Flasche und Glas gezaubert.