Lamartine
„Expression“ Cahors, rouge 2019

Der Ursprung und die Quintessenz des Cahors

Was die gemäßigten Temperaturen im Wechsel von Atlantik- und Mittelmeereinfluss und die vielen Sonnenstunden der AOC Cahors für große Weine hervorbringen können zeigen Lise und Benjamin Gayraud vom Château Lamartine Jahr für Jahr. Der „Expression“ genannte Topwein dieses Gutes ist schon vor Jahrzehnten zum Maßstab dieses Anbaugebietes geworden. Die fünf Hektar große Parzelle, von der dieser Rote stammt, dient nicht nur diesem Weingut als Reservoir für die „sélection massale“ (also nicht das Klonen eines speziellen Weinstockes, sondern die Vermehrung einer Vielzahl einzelner Individuen), was deren Besonderheit schon einmal hervorhebt – ein Malbec, der zum Glück die Fröste des Jahres 1956 überleben konnte. Nachdem damals 99 % der Reben im Cahors erfroren waren konnte diese Parzelle als Grundbestand der Wiederanpflanzungen dienen. Mit dem „Expression“ haben wir also eine Quintessenz und den Ursprung des Cahors im Glas. Bemerkenswert, nicht wahr?

Und wie lässt sich diese Essenz auf Flaschen ziehen, wie bewahrt man eigentlich so ein Vermächtnis? Zuerst wird einmal streng selektioniert (pro Rebstock bleiben dabei maximal 1,3kg Ertrag übrig). Dann werden die Trauben (das Rebenalter erreicht manches Mal die 100-Jahre-Marke) von ihrer Parzelle (Kalk-Lehm-Boden) schnellstens in Edelstahltanks geschafft, damit die Extraktion beginnen kann. Diese geschieht ganz traditionell mit so wenig wie möglich Kontakt zu Sauerstoff durch sogenannte pigeage (dabei wird der Tresterhut vorsichtig von oben nach unten gestoßen). Nach der Vergärung (40 Tage bei kontrollierter Temperatur) geht es für 20 Monate zur Reifung in neue Barriques aus zentralfranzösischer Eiche. In den Fässern wird immer wieder die Feinhefe aufgerührt. Diese sogenannte Bâtonnage bewirkt, dass sowohl ein weiterer Schutz vor Sauerstoffeinfluss gewährleistet ist, als auch, dass weitere Stoffe entstehen können, die das Mundgefühl verbessern (Aminosäuren, Fettsäuren, Mannoproteine). Diese uralte und sehr simple Technik befördert schonenden Säureabbau und dimmt in wohldurchdachter Regie die Fruchtaromatik.

Im Glas dann die Magie: Die Farbe ist wundersam von hellen Reflexen durchzogen – das Malbec-typische Dunkel (die Weine des Cahors hatten bei den Briten mal den Namen „Black Wines“) wird schon bei sanfter Bewegung von funkelndem Rubin geschmückt. Der Nase bietet sich zuerst einmal ein reizvolles Gemenge von schwarzem Pfeffer und hellen Noten. Üppige Würze (Pfeffer, Kakao, Herbstlaub, Holzrauch, getrocknete Rosenblätter, Minze, Duxelles, Flieder, Wacholder, Anis, Leder, Erde, Gummi, Zeder, Vanille, Teer) steigt in kühlender Helligkeit aus dem Glas – die Frucht (Pflaume, Cassis, Heidelbeere, Erdbeere, rote Kirsche und Johannisbeere, Brombeere, kandierte Orange, Olive) legt sich in voller Wärme darunter. Herrlich! Die Zunge darf dann schweben: Das ungemein sanfte Tannin jongliert mit Aromen, die die Säure quasi als Aufwind herangetragen hat. So einen Ausflug in die Schwerelosigkeit lassen wir uns doch gerne gefallen. Und dazu sind weder umständliche Raumanzüge noch Parabelflüge nötig: exemplarisches Handwerk und zur Perfektion gezüchtetes Rebmaterial reichen völlig.

Ab sofort bis mindestens 2042+.