Envínate
„Táganan“ VM Tenerife, blanco 2022

Ein salzig-mineralisch funkelnder „vino atlántico“, wie er elektrisierender kaum sein könnte! 94 Punkte – PARKER

Es grenzt schon fast an ein mittleres Wunder (oder eine Folge von kleinen Wundern), dass es den vier „Envínateros“ Roberto Santana, Alfonso Torrente, Laura Ramos und José Martínez mit bemerkenswerter Konstanz Jahr für Jahr gelingt, mit dem „Táganan“ blanco einen der ausdrucksstärksten, charaktervollsten, ja wunderbarsten Weißweine Spaniens zu erzeugen, und das (glücklicherweise! Die geringe Flaschenzahl und überragende Besprechungen bzw. Wertungen von „Weinschreibern“ aller Couleur haben die Nachfrage heftig befeuert) für unter 30 Euro die Flasche. Es ist noch bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Weinberge, in denen der Wein auf Teneriffa entsteht, schwer zu erreichen sind, nur manuell bearbeitet werden können und man häufig Esel und Maultiere einsetzten muss, um das Lesegut überhaupt aus dem Weinberg zu bekommen. Der weiße „Táganan“ ist von Envínate als Quintessenz und Abbild sämtlicher Rebsorten und Terroirs um die Gemeinde Taganana gedacht, weshalb hier Trauben aus verschiedenste Parzellen in 75 bis 400 Metern Höhe (das Alter der Reben variiert von 50 bis 150 Jahren) – häufig ohnehin schon Gemischte Sätze – miteinander kombiniert werden. Taganana selbst liegt im Nordosten der Insel (wenn man sich den Umriss Teneriffas als Ente denkt, wäre das ihr Schnabel) auf einigen der ältesten dort vorhandenen Basaltformationen der Insel. Die Basalte stammen aus der sogenannten „Schildbildungsphase“ der Insel („Schild“ bezeichnet hier ein größeres, in geologischen Zeiträumen langzeitig tektonisch stabiles Gebiet) und sind zwischen 4,9 und 3,9 Millionen Jahre alt. Jüngere vulkanische Gesteine unterschiedlicher Zusammensetzung sind in diese frühen Basaltströme eingedrungen. Diese Gesteine waren über Millionen von Jahren den Elementen ausgesetzt, und ihre rasche Verwitterung und Erosion hat zu der dramatischen, geradezu atemberaubenden Topographie der Küste und der Heterogenität des Terroirs geführt.

Für den „Táganan“ blanco wurden Listán Blanco, Marmajuelo, Forastera Gomera, Vijariego Blanco, Malvasía und Verdello hauptsächlich aus unterschiedlichen Parzellen in den Weinbergen von Chavarria gelesen, der Rest stammt von Parzellen aus El Chorro, Margalagua, Mancha Afur, Los Ejes, Lomo del Drago, La Rosa Cumplida und Almáciga. Und wie schon 2019 musste das Evínate-Team auch auf Trauben aus Campanario zurückgreifen, weil die Ausbeute nicht ganz so hoch wie erhofft war. Das Lesegut wurde komplett entrappt, sanft gepresst, 12 bis 24 Stunden kühl vorgeklärt und dann, wie gewohnt, parzellenweise in offenen Behältern mit einem Fassungsvermögen von 1000 Litern ohne Temperaturkontrolle spontan vergoren, der Wein anschließend in neutralen 350- und 600-Liter-Fässern für insgesamt neun Monate auf der Feinhefe ausgebaut. Eine malolaktische Gärung fand nicht statt.

Und wie jedes Jahr ist das Ergebnis einfach spektakulär! Das geht natürlich nicht nur uns so, seit 2015 respektive 2016 pendeln die Wertungen von Wine Advocate und James Suckling zwischen 94 und 95 Punkten. Aber was sind schon nüchterne Zahlen angesichts dieser Schönheit? (Mal abgesehen davon, dass, wie oben schon beschrieben, diese Punkte ein gewisses Kaufverhalten enorm stimulieren, der Wein immer begehrter wird, die Allokationen immer etwas kleiner ausfallen als man es sich wünscht – vom 2022er gibt es gerade einmal 3.200 Flaschen für die ganze Welt …) Das Bouquet lässt vom ersten Moment über die Herkunft des „Táganan“ keinen Zweifel aufkommen: Das ist ein „vino atlántico“! Der Duft salziger Gischt, kühler, salzgesättigter Winde, dazu eine Frische, Helligkeit und Energie – all das entströmt dem Glas sofort. direkt vorhanden. Neben anfänglich zart reduktiven Noten dann auch (ebenso zart) etwas gelber Pfirsich bis hin zu Mango, deutlicher dann Salzzitrone und Pomelo. Als dritte „Welle“ dann Kamille, eine zunächst an Pinienharz erinnernde, dann immer „steiniger“ werdende Note, die sich dann gen Muschelschale (das Meer ist allgegenwärtig) hin entwickelt. Am Gaumen dann ein Fanal von Agrumen und Salz, eine herrlich rassige Säure, die den Wein regelrecht entfesselt! Wieder Salzzitrone, wieder eine an Pomelo und Grapefruit erinnernde herbe Note, dazu auch Hopfen, pikante Akzente wie von frischem Ingwer und Stein und Salz. Und noch mehr Salz, das tonische Wunder wirkt. Wollte man das mit anderen Weinen aus anderen Regionen vergleichen, dann am ehesten noch als Kombination eines Top-Manzanillas (etwa „Solear“ en rama von Barbadillo aus einer Winter-saca) und eines großen, straffstrukturierten Chablis. Denn was hier an Finesse, im Sonnenlicht funkelnder, zitrisch-saliner Mineralität und Dynamik geboten wird, ist schon atemberaubend!

Ab sofort und bis sicherlich 2029+.