Die Renaissance der Garnacha
Gredos - Garnacha - Granit sind die Hauptzutaten für Weine aus fast vergessenen Hochlagen die seit nunmehr fast 20 Jahren die Weinwelt begeistern.
Die Stunde Null
Sowas wie der Urknall für ein Weingut im Dornröschenschlaf (Bernabeleva), eine Region (Gredos), eine Rebsorte (Garnacha), gar für ein ganzes Weinland, welches kein geringeres als das größte der Welt ist, Spanien! Held (wider Willen) dieser Geschichte ist Marc Isart, Weinmacher und Mastermind von Bodegas y Viñedos Bernabeleva.
Gredos – die Keimzelle der „Terroiristen“ und neuen WEINHelden des 21. Jahrhunderts
Dem aufmerksamen Leser unserer PINwand kommen die nun folgenden Zeilen zweifelsohne bekannt vor. Dennoch sind die nun folgenden Ausführungen Geschichten und Fakten der deutschen Weinszene fast völlig fremd, daher wiederholen wir uns gerne, denn über die Weine aus Gredos sollte viel häufiger gesprochen werden: Die Sierra de Gredos, ein zentraler Abschnitt des kastilischen Scheidegebirges mit dem Kulminationspunkt Pico Almanzor (2.592 Meter), steht sinnbildlich für das neue Gesicht des spanischen Weinriesen. Mehrfach haben wir bereits angemerkt, dass die alten Vorurteile gegenüber spanischer Weine (zu konzentriert, zu alkoholisch, zu marmeladig, zu holzig) längst überholt sind und Ihnen Exemplare des neuen Spaniens an Herz gelegt (z.B. Envínate, Bimbache, Bhilar, Esmeralda García, Verónica Ortega, um nur ein paar Namen zu nennen). Die als Sierra de Gredos bekannte Bergkette westlich der spanischen Hauptstadt von Madrid hat einen enormen Anteil an diesem Imagewechsel, der um die Jahrtausendwende eingeläutet wurde.
Marc Isart – Curriculum eines ganzen großen Winzers und feinen Menschen
Einer der den Imagewechsel aktiv wie kein Zweiter mitinitiiert hat ist der gebürtige Katalane Marc Isart Pinos (mit vollem Namen), Jahrgang 1975. Es ist nicht vermessen ihn als den stillen aber großen Star der Region und seiner Winzergeneration vorzustellen. Marc ist ein begnadeter Weinmacher, der zu keiner Zeit Aufhebens um seine Person macht und gerne wortlos im Hintergrund steht. Er sucht weder das Rampenlicht noch die Öffentlichkeit. Marc ist seine ganz eigene besondere Marke und wer ihn einmal getroffen hat stellt dies auch sehr schnell fest. Im Alter von 14 Jahren kam Marc gemeinsam mit seinen Eltern nach Madrid. Kaum angekommen in der Fremde ging der sprichwörtlich junge Marc harter körperlicher Arbeit nach indem er den Beruf des Landmaschinenschlossers ausübte. In seiner Freizeit arbeitete er zudem in der Landwirtschaft, somit auch unweigerlich im Weinbau. In den Abendstunden büffelte er für seine weiterführenden Schulabschlüsse. Ein Pensum wie es kaum ein Heranwachsender in unseren Breiten kennt oder gar hat. Etwas später studierte Marc die Fächer Agrarwirtschaft (Ingenieur) und Önologie (Master) an der renommierten Universität Complutense de Madrid. Wie selbstverständlich managte er sein Studium neben dem Job als Landmaschinenschlosser. Seine Zeit mit den schweren Maschinen sollte nach seinen erfolgreichen Universitätsabschlüssen Geschichte sein. Fortan arbeitete er als Önologe für ein Weingut aus seiner Nachbarschaft, dem er übrigens bis heute beratend zur Seite steht.
Renaissance der Garnacha
Im Jahr 2006 erhielt Marc das Angebot künftig für Bernabeleva zu arbeiten. Die Anfrage kam von niemand geringerem als Raúl Pérez, der zu jener Zeit als Consultant für die Bodega beauftragt war. Schnell fand Marc sich in seiner neuen Rolle als Triebfeder einer aufstrebenden Bodega zurecht. Früh erkannte er Stärken, Schwächen und Besonderheiten die das Terroir von San Martín de Valdeiglesias mit sich bringt. Gerade im Umgang mit den alten Garnacha-Reben gelang Marc auf Anhieb herausragendes. Garnacha die einst meistangebaute Rebe Spaniens und der Welt (in Frankreich als Grenache bekannt) rückt unter Marc bei Bernabeleva und in der Folge bei anderen Winzer der Region wieder in den Fokus und gewinnt fortan wieder an Bedeutung. Marc prägt mit den Weinen von Bernabeleva und denen vom Comando G (ab 2008), dessen Gründungsmitglied er war einen für Spanien bis dato unbekannten neuen Weinstil dem die heutigen avantgardistischen Winzer des Landes nacheifern: transparent, fein, klar, geprägt von Frische, Spannung, Mineralität und Charakter. Marcs Vorbilder vermutet man im Burgund, tatsächlich führt er andere an: Rayas und Rinaldi. Auch Altmeister sind vom Können eines Marc Isart beeindruckt. Kein geringerer als Telmo Rodríguez der 1999 als erster außenstehende große Winzerpersönlichkeit das Potenzial der Gredos entdeckte investierte viel Zeit und Geld in sein dortiges Projekt Pegaso. Richtig zufrieden war er nie mit seinen Weinen und so bemühte er sich um den besten Mann für Pegaso – Marc Isart. Seit 2016 trägt Marc nun also auch dort die Verantwortung und gibt den Weinen seine Handschrift. Da Marc von klein auf ein intensives Pensum gewohnt ist verwundert es auch nicht, dass er neben seinen Aktivitäten bei Bernabeleva und Pegaso gemeinsam mit seiner Frau Carmen ein weiteres Projekt vorantreibt. Hierbei handelt es sich um die eigene kleine Bodega Cinco Leguas in der die Weine unter dem Namen „La Maldición“ („der Fluch“) im südlichen Teil der Appellation D.O. Vinos de Madrid gefüllt werden.
Zurück im Tal der Bären
In der Gegend, die eine Autostunde westlich der spanischen Metropole und Hauptstadt Madrid liegt, sagen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht. Gredos war und ist noch immer Jagdrevier und Erholungsgebiet für viele Städter. Ein Symbol dieser Geschichte verkörpert auch das Etikett von Bernabeleva. Die Göttin der Jagd Diana zeigt sich reitend auf einem Bären. Das Gut oder die finca wie der Spanier sagt hat eine mittlerweile fast hundertjährige Geschichte. Im Jahr 1923 erwirbt der bekannte Madrider Arzt Vicente Álvarez Villamil ein weitläufiges Grundstück am Fusse des Cerro de Guisando (1.310 Meter) etwas außerhalb von San Martín de Valdeiglesias. Vicente lässt Weingärten, Olivenhaine, Obstbäume und Gemüse pflanzen. Er träumt von großen Weinen und betreibt Bernabeleva als Gartenhof, der Besuchern jederzeit Zugang gewährt. Der spanische Bürgerkrieg und seine gesellschaftspolitischen Auswirkungen lassen Vicentes Traum in weite Ferne rücken. Der Wein der gesamten Region verliert zusehends an Bedeutung, Winzergenossenschaften bestimmen fortan das Geschehen. Immer weiter fallende Traubenpreise setzten der Branche zu und deuten zudem nicht auf Perspektiven hin. Aber totgesagte leben dann halt hin und wieder dennoch länger!
Wachgeküsst aus dem Dornröschenschlaf
Im Stillstand und Niedergang finden sich auch immer wieder positive Aspekte, in Gredos wären da zuallererst die alten Garnacha-Reben zu nennen. Da die Region in den Jahrzehnten der Erneuerung nicht zu den hippen und rentablen Spots zählte wurde hier weder in neue Rebanlagen oder gar neue Rebsorten (wie vielerorts) investiert, geschweige in Infrastruktur. Die alten Fincas und ihre ursprünglichen Parzellen blieben, sofern wie nicht verfielen und verwilderten vielfach erhalten, so auch bei Bernabeleva. Die Nachkommen von Vicente erhielten die Finca über lange Jahre ohne Ziel aus Sturheit, ein Glückfall für den Urenkel des Gründers Juan Diez Bulnes. Juan selbst erfolgreicher Architekt mit Lebensmittelpunkt Madrid war Anfang der 2000er-Jahre fest entschlossen Vicentes ursprünglichen Traum Realität werden zu lassen. Auf der Finca entstand ein modernes Kellereigebäude und man engagierte den profunden Berater Raúl Pérez (der damals wie heute selbst sehr erfolgreich in der Region mitmischt u.a. bei Viñedos del Jorco) um den Start zu begleiten. Neben den heute fast hundertjährigen Parzellen wie Viña Bonita, Carril del Rey und Arroyo del Tórtolas waren die Personalentscheidungen der ersten Stunde weitere Glücksfälle. Marc Isart war vom Start weg eingebunden und ist bis heute dabei, eine Konstante, wie man sie heute sehr selten bei aufstrebenden Start-Ups der Branche hat. Vicentes Traum von eigenen guten Weinen wurde mit dem Jahrgang 2007 nun endlich wahr.
Das Tagwerk
Zur ursprünglichen Finca gehörten 400 Hektar Land, einiges davon stand schon immer unter Reben. Heute bewirtschaftet man bei Bernabeleva 35 Hektar Rebfläche die komplett biodynamisch bewirtschaftet werden. Star der Region und des Hauses ist die rote Garnacha, daneben wird mit Morenillo eine weitere rote und rare autochthone Rebsorte kultiviert. Bei den weißen Sorten nimmt Albillo Real die Hauptrolle ein. Desweiteren arbeitet man mit Macabeo, Garnacha Blanca, Garnacha Grís und Moscatel de Grano Menudo (Gelber Muskateller). Selbstredend ist hier extrem viel Handarbeit gefragt, die alten Parzellen in Buscherziehung würden auch keinen großflächigen Einsatz von Maschinen zulassen. Auch die Bodenbearbeitung erfolgt meist mit Picke und Hacke und wird unterstützt durch den Einsatz von Arbeitspferden. Die Begrünung der Flächen wird mühselig mehrfach im Jahr von Hand zurückgeschnitten. Rebalter, Pflanzdichte und Klima machen in diesen Breiten viel Arbeit, der Ertrag ist dennoch vergleichsweise gering, dafür aber umso spektakulärer.
Das vielzitierte Nichtstun
Besonders die Ernte der Diva Garnacha ist in diesem kontinentalen Klima auf den Hochlagen von Bernabeleva (auf 800 bis 1.000 Metern) nicht einfach. Bereits Ende August hat die Rebe die volle alkoholische Reife und die Moste weisen hohe Alkoholgradation von bis zu 15,5 Vol.-% auf. Allerdings ist dann die phenolische Reife (verkürzt die Herausbildung von Tannin, Farbe und Geschmack) noch nicht ganz abgeschlossen – eine Herausforderung! Marc hat allerdings recht schnell einen Weg hin zur Balance gefunden. Er arbeitet dazu mit sehr langen Maischestandzeiten in offenen Bütten. Diese „Beautybehandlung“ kann zwischen 30 und 90 Tagen andauern. Dabei verzichtet er auf remontage und pigeage, die Extraktion geschieht hier so sanft wie bei einer japanischen Teezeremonie. Für den weiteren Ausbau zieht der werdende Wein auf gebrauchte, möglichst großformatige Fässer um keine Dominanz des Holzes aufkommen zu lassen. Auch hier versucht Marc nach Kräften ohne bâtonnage auszukommen, seine Weine sollen sich „vertikal-tief“ und nicht etwa „horizontal-breit“ entwickeln. Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Weine von Bernabeleva fast gänzlich ohne jegliche Additive auskommen. Zudem bleiben sie unfiltriert und werden kurz vor Abfüllung nur mit einer minimalen Schwefelgabe stabilisiert.
En fín oder zu guter Letzt
Marc hat mit seinen Weinen bei Bernabeleva nicht nur Gredos zurück ins Jetzt geholt, sondern einen Weinstil miterfunden und geprägt. Zudem hat er der quasi in Vergessenheit geratenen Garnacha wieder eine Bühne gegeben, auf der sie heller den je strahlt. Aktuell kommen die besten Garnachas des Landes definitiv aus dem Naturparadies Gredos, von denen nicht wenige Insider behaupten, es seien sogar die besten der Welt.