Stefan Müller
Niedermenniger Herrenberg Riesling feinherb 2023

Den Herrenberg hinan: ein Wunder an Ausdrucksstärke!

Am Unterlauf der Saar wird, das muss man sich buchstäblich auf der Zunge zergehen lassen (ja, wirklich!) auf nur etwa 800 Hektar Wein angebaut – und zwar Spitzenwein, wie Stefan Müller (er nennt ca. 11 Hektar davon sein Eigen) auch heuer wieder bewiesen hat. Auf dem Rotschiefer des Niedermenniger Herrenberges wuchsen Trauben an Rebstöcken heran die dort zum Teil in den 70er Jahren gepflanzt wurden. Auf Terrain, das zwischen fünfzig und hundert Metern höher und deutlich näher an den Hügeln der Eifel und des Hunsrücks liegt als das des Moselgebiets, herrscht damit natürlich auch ein signifikant-kühleres Klima. Große Sorge galt in der zweitausendjährigen Geschichte der Saarweine der Erreichung von Reife – eine Sorge, die heute dort kaum ein Winzer mehr hat. Auf dem Herrenberg war der Wein schon Mitte September reif für die äußerst selektive Handlese (der Regen hatte sich glücklicherweise vor der Lese aus der Region verabschiedet, ein regnerischer Spätsommer allerdings hinterließ seine Spuren an den Trauben). Müller presst immer ganze Trauben ab, die Inhaltsstoffe der Stiele sind ihm wichtig. Seine Weine dürfen spontan gären, denn die eigenen Hefen des Wingerts gehören bei ihm zum Herkunftscharakter, zum Herrenberg dazu. Die Weine jeder einzelnen Lage haben bei ihm Stammfässer (natürlich traditionelle Fuder) in denen sie auf der Vollhefe reifen dürfen – so intensiviert er den Lagencharakter noch einmal. Die so sorgfältige Selektion hat hier ein Musterbeispiel für Balance und Ausdrucksstärke in unsere Gläser gezaubert. Aus zartgelbgrünem Nektar tritt zuerst Würze von Flint und nassem Kalkstein. Die Frucht expandiert ganz wundervoll in Schritten: Auf frischem Gras und trockenerem Stroh scheinen Ananas und Mango zu ruhen, auf einem Kissen präsentiert. Orange (Saft und Zeste), Zitrone, Pfirsich, Birne, Apfel und Banane gleiten förmlich hinterher, von sehnsüchtiger Erwartung des Genießers gezogen. Am Gaumen will der Riesling dann deutlich mehr Spiel: die Süße ist recht präsent, wird aber von heller Säure so gekonnt unterspielt, damit im Wechsel verstärkt und gemildert, dass wir gerne Jubelschreie ausstoßen. Ein „Zug“ entsteht, der uns unweigerlich zu einer Reise verführt in die Saartäler und dann den Herrenberg hinan.