Statt Vorurteilen regiert hier die Trinklaune
Die nachwachsende Jugend, so sie schon vor 30 Jahren Wein getrunken hätte, würde wohl „cringe“ sagen. Der Müller-Thurgau ist eine Sorte, die Angst macht. Zuviel Schindluder wurde mit ihr getrieben, auf die billigen Plätze verbannt – die schwachen Lagen – konnte aber auch nicht viel Gutes entstehen. Doch wie viele Angstmacher ist sie ohnehin eine rare Spezies. Wenn sich als Tim Fröhlich für die Sorte entscheidet, wo er in diesen Parzellen leicht auf Riesling umveredeln hätte können, ist Aufmerksamkeit geboten!
Fragt man den Winzer selbst nach der Charakteristik dieses Weines, dann nennt Tim Fröhlich „harmonisch integrierte Fruchtsäure“ als Charakteristikum. Es ist eine äußerst treffende Schilderung, denn die Lebendigkeit dieses Weines kommt – im Gegensatz zu vielen anderen Abfüllungen des Hauses Schäfer-Fröhlich – ohne mineralische Noten aus. Es ist die Sorte selbst, die im reifen Alter der Rebstöcke zeigt, was noch in ihr steckt. Sofern sich Weinfreunde nicht von schlechten Vorgeschichten und altbackenem Image abschrecken lassen. Dann nämlich hat schon das erste Riechen am „Fröhlich“ die Kraft, Weltbilder in Sachen Müller-Thurgau zu zerstören.
Ein Hauch Reduktion wird dem Kenner da sofort auffallen und ein anerkennendes Heben der Augenbraue mit sich bringen. Zumal der 2023er auch von einem ebenso dezenten Zitrus-Touch gefolgt wird. Breit oder gar breiig, wie man es der Sorte gern nachsagte, ist hier nichts! Das Gros des Luftraums über dem Glas erfüllt hingegen ein frischer Birnenduft. Er bringt grüne Frische ebenso mit wie weißes Fruchtfleisch und ein My von schalenbitteren Anteilen. Bemerkenswert bei alledem ist die Klarheit der Duftnoten, in die sich auch Passionsfrucht und ein Grüntee-Lüftchen (für Kenner: Genmaicha) mengen. Der Eindruck am Gaumen ist ähnlich. Als hätte sich Tim Fröhlich die präzise Säurestruktur seiner Rieslinge für diesen Wein geborgt, durchzieht ein Nerv an Lebendigkeit den Müller-Thurgau („Man merkt, dass er auf spannendem Boden steht“ so der Winzer). Links und rechts des Säuregerüsts finden sich die fruchtigen Nuancen aufgereiht. Einmal sind es säurige Früchte, bei denen man an Kiwi, aber auch Granny Smith-Apfel denkt. Auf der anderen Seite sind die gelben Früchte versammelt, die an Marille und Ringlotte, beide noch vor der Überreife, erinnern. Der „Fröhlich“ ist exakt jene Art von Zechwein, für die es in anderen Gegenden eine konkrete Rebsorte als Synonym gibt. In Frankreich wäre es vielleicht ein Colombard, im Friaul ein Ribolla Gialla und in Österreich ein Grüner Veltliner. An der Nahe hat man für diesen Lebenslagen seinen „Fröhlich“ – und das ist sowieso der beste Name für einen Weißwein wie diesen!
Ab sofort bis 2028.
Von Säure und Frucht her liegt die Riesling-Präzision vor, die Tim Fröhlich bekannt gemacht hat. Und doch: Das ist Müller-Thurgau von eine alten Top-Anlage!