Der Mythos muss neu gedacht werden! „Eine Lage, die mit den Veränderungen, die uns bevorstehen extrem gut zurechtkommt.“
Das Frühlingsplätzchen, eine der besten Lagen der gesamten Nahe, besitzt einen legendären Ruf. Seine Charakterisierung stammt allerdings aus einer Zeit, in der im deutschen Weinbau noch ein regelrechter Fokus auf die Reifewerdung der Trauben bestand. Den gibt es zwar nach wie vor. Doch arbeiten die Winzer auch aufgrund der klimatischen Veränderungen eher gegen eine Überreife an, soll Riesling doch seinen vibrierenden Charakter bewahren.
Immer und immer wieder hat das Frühlingsplätzchen in zahlreichen Blindproben gereifter Großer Gewächse bei Kritikern und auch hier bei unserer jährlich durchgeführten „Ten years after“-Probe der besten Großen Gewächse bewiesen, dass es absolut auf Augenhöhe mit dem Halenberg einzustufen ist. Denn das Frühlingsplätzchen steht oft nach über zehn Jahren Reife am filigransten und zartesten da, beeindruckt dann ob des jugendlichen Stadiums und der Feinheit am Gaumen.
Frühlingsplätzchen. Allein diese Lagenbezeichnung strahlt etwas Leichtes und für viele auch Feminines aus. Ein zarter Lagenname, der auch so wunderschön dem Charakter dieser Monzinger Paradelage entspricht, die voller Charme und Seidigkeit sowie einer unerreichten Leichtigkeit wunderschöne Attribute für trockenen Riesling ausstrahlt. Diese Lage, die von rotem Schiefer und tiefgründigem roten Lehm geprägt ist, die sich am Ortseingang Monzingens entlang der Bundesstraße erstreckt und mit ihrer rampenförmigen Auslegung beeindruckt, präsentiert sich in der Jugend stets offen und charmant. Dieser expressive und leichte Charakter hat manch Fehlurteil ergeben. Gegenüber dem stets kraftvolleren und monolithischeren, da so dunkel wirkendem Halenberg, wurde den Weinen aus dieser Lage gelegentlich ein kürzeres Potential zugeschrieben. Welch ein Irrtum! Dabei hat das Frühlingsplätzchen über die Jahre stets mehr an Kontur und Präzision gewonnen, sodass wir heute, und um die Erfahrung gereifter Jahrgänge reicher, von zwei ebenbürtigen Lagen sprechen. Ja, manchmal, speziell in wärmeren Jahrgängen, hat es die Lage sogar leichter und damit ein wenig die Nase vorn!
„Die alte Formel, dass das Frühlingsplätzchen feminin und fruchtiger ausfällt, der Halenberg maskuliner und steiniger, stimmt einfach nicht mehr!“ stellt Frank Schönleber fest. Über die Jahre näherte sich die Lage in ihrer Würzigkeit uns Seriosität den dem Halenberg zugeschriebenen Attributen an. Hierfür sieht der Winzer gleich mehrere Gründe: „Die Böden denen das Frühlingsplätzchen mittlerweile entspringt sind steiniger und von weniger lehmreichen Parzellen als noch vor 15 bis 20 Jahren. Zudem sind die Erträge niedriger. Das hat die Lage von der Frucht weg und hin zu mehr Würze gebracht.“ Auch hat das Frühlingsplätzchen gegenüber dem Halenberg mittlerweile in trockenen Jahren deutliche Vorteile. Es verhält sich ein wenig wie bei Theresa Breuers Schlossberg zum Nonnenberg. Es überrascht daher nicht, dass viele Kenner die vermeintlich „kleineren“ Lagen gar bevorzugen, bescheinigt uns doch auch Frank, dass sein Frühlingsplätzchen „mit den Veränderungen, die uns bevorstehen, extrem gut zurechtkommt.“ Vielleicht ist es Zeit für eine Stabübergabe, eine Neubewertung, ja eine neue Retypisierung der beiden Lagen? Klar ist: Der Mythos vom fruchtig-expressiven Frühlingsplätzchen ist ein Relikt alter Tage, eine beibehaltene Tradition, die mit dem heutigen Wein keine Gemeinsamkeit mehr hat. Das Frühlingsplätzchen muss neu gedacht werden und wir uns von der tradierten Vorstellung des fruchtbetonten Rieslings jener Lage befreien. Das Ergebnis ist ein Riesling, der nochmals an Charakter und Größe gewonnen hat, dem man im Jahrgang wie 2022 anmerkt, dass es gute Wasserreserven hatte. Spontiduft, Schieferwürze, subtile Frucht und griffige Textur und die schönsten Partien im Fasskeller der Familie. So sehen wir das 2022er-GG vom Frühlingsplätzchen. Ist es nicht erstaunlich, welch Wandel diese Lage in der letzten Dekade vollzogen hat?
Zu genießen ab Herbst 2023, Höhepunkt wohl ab 2026 bis nach 2045.
Spontiduft, Schieferwürze, subtile Frucht und griffige Textur: der stilistische Wandel von Schönlebers Riesling-GG Frühlingsplätzchen ist ein Triumph!