Alle Zeichen wieder auf Sauerkirsche: herrlich ungestümer Premier Cru aus der Pfalz!
94/100 – James Suckling
Gefragt, wie sie die Philosophie ihres Weinguts resümieren würden, antworten Vater und Sohn Becker gern in drei Sätzen. Erstens: Weinmachen ist und bleibt Bauchsache. Zweitens: Erfahrung ist eine gute Stütze. Und drittens: Tradition schlägt jeden Trend. Denn, so wissen die beiden, jede Tradition war einmal eine Innovation, die gegen die Widerstände der Altvorderen durchgesetzt werden musste. So erklärt sich auch, dass die Beckers ob ihrer nonkonformistischen Entscheidungen immer mal wieder als Rebellen und Dickköpfe galten. Betrieb der Vater des Seniors noch eine Art bäuerlichen Gemischtwarenladen aus Gaststätte, konventioneller Landwirtschaft, Schweinezucht und Weinbau (was bedeutete, dass Fasswein an die Genossenschaft verkauft wurde), so trat sein qualitätsbesessener Sohn kurzerhand aus der Genossenschaft aus und setzte fortan selbstbewusst auf Spitzenweine aus eigener Kelterung. Denn bei mehreren Burgund-Besuchen hatte der bekennende Romanée-Conti-Fan erkannt, dass die Hanglagen am Rande des Pfälzerwalds beste Voraussetzungen für großartige Pinots boten: Als er im berühmten Weinberg Clos de Vougeot kleine Kalksteine mit Ton dazwischen entdeckte, wurde ihm schlagartig klar, welches Potenzial etwa die sehr ähnliche Bodenbeschaffenheit in seinem Rechtenbacher Herrenwingert birgt. Die von Pfarrwingert und Sonnenberg umschlossene Hanglage nördlich von Schweigen befindet sich in unmittelbarer Nähe der französischen Grenze und ist durch ihren schweren, lehm- und tonhaltigen Oberboden mit Kalkfelsen im Untergrund gekennzeichnet. In diesem vom VDP als Erste Lage klassifizierten Weinberg wachsen intensive, ungestüme Kraftpakete, die genauso sein dürfen, wie sie sind: wild, ungebändigt und vielleicht auch ein wenig burschikos. Denn tatsächlich trachten die Beckers im Weinberg und im Keller danach, so wenig wie möglich am natürlichen Ausdruck des Weins zu verändern. Drei Wochen lang vergor er in offenen Eichenholzbottichen und wurde anschließend 18 Monate lang in deutschen und französischen Barriques ausgebaut. Trotz dezenter Holznoten stehen hier alle Zeichen auf Kirsche: von der transparenten kirschroten Farbe über die schwelgerisch fruchtige Sauerkirsch-Attacke in der Nase bis zu den druckvollen Kirscharomen am Gaumen. Das Bouquet wird ergänzt durch Töne von Preiselbeeren, Erdbeeren, Himbeeren, Zedernholz und Würzkräutern. Geschmacklich kommen Noten von saftigen Zwetschgen und frischen Schlehen hinzu. Die Kalkfelsen in den unteren Bodenschichten bringen Frische und Mineralität in den Wein, samtfeine Tannine bürgen für langjähriges Lagerpotenzial. Ein veritabler „Premier Cru“, der durch sein komplexes Aromenspiel und seinen feinen Säurenerv begeistert. Und der trotz seines straffen Körpers und seiner immensen Muskeln unvergleichlich leicht und elegant wirkt.
Ab 2025 und bis 2043+.