Aimez-vous Chardonnay? Aimez-vous Schweigen? Beides, unbedingt!
94/100 – Falstaff
Wie gut, dass es hierzulande das Rechtsinstitut der Verjährung gibt: In einem feucht-fröhlichen Wein-Podcast plauderte der Südpfälzer Winzer Friedrich Becker neulich aus, dass sein Vater die Rebsorte Chardonnay schon viele Jahre vor ihrer offiziellen Zulassung in Deutschland 1991 angepflanzt, den hiesigen Behörden gegenüber jedoch als Weißburgunder deklariert habe. Von diesem bewussten (und seinerzeit unerkannt gebliebenen) Täuschungsmanöver profitieren wir Weinfreunde noch heute: Der Burgunder-Flüsterer vom Deutschen Weintor ahnte eben schon vor über vier Jahrzehnten, welch hohe Ansprüche der Chardonnay an die Qualität der Böden stellt. Darum stockte er das aus Frankreich importierte Pflanzgut beiderseits der Grenze auf Kalksteinverwitterungsböden mit lehmig-tonigen Auflagen. Und nahm sich - die großen Vorbilder aus dem Burgund stets im Sinn – reichlich Zeit, um mit der Sorte an diesem neuen Ort zu experimentieren. Herausgekommen ist dabei (ein Schelm, wer Böses dabei denkt!) weder ein Montrachet noch ein Meursault. Dafür aber dieser unvergleichlich feine, frische, straffe (und noch erschwingliche) Schweigener Ortswein, der Rasse mit Eleganz paart. Und der seine Herkunft von den kalkreichen Böden in den Hanglagen am Rande des Pfälzerwaldes sowie das mediterrane Mikroklima der Südlichen Weinstraße auf unnachahmliche Weise „darstellt“. Schließlich lautet nun schon in achter Generation das Credo der Beckers: „Der Wein muss zeigen, wo er herkommt.“ Es bleibt anzuerkennen, dass dies mit diesem Chardonnay vortrefflich gelungen ist, nicht zuletzt auch durch das langjährige Knowhow, das sich Becker Senior viele Jahre lang autodidaktisch erarbeitet hat: Im Glas leuchtet der Wein goldgelb mit grünen Reflexen. In der Nase verströmt er einen feinfruchtigen Duft von festen Birnen, die langsam zusammen mit einer Vanillestange in Butter gebraten werden, wozu auch ein Hauch würzigen Karamelrauchs und ein paar geröstete Mandelblättchen gehören. Dicht, puristisch und kräuterwürzig im Mund, mit etwas Limettensaft sowie perfekt integrierten Barrique-Noten vom Ausbau in französischen und – jawohl – pfälzischen Eichenfässchen (40 % neues Holz). Ein jetzt bereits köstlicher, aber auch noch lange Zeit lagerfähiger Pfälzer „Villages“, der vor allem durch sein gekonntes Zusammenspiel zwischen kraftvollen, vollreifen Fruchtaromen, kühler Mineralität und dezenten Holznoten beglückt. Und der aufs Neue eindrucksvoll belegt, dass das Weingut Friedrich Becker heute mit einigem Recht Anspruch auf den Titel des deutschen Burgunder-Meisters erheben darf. Verjährung hin oder her!
Ab sofort und bis 2036.