Aires Hautes
„Orycte“ Minervois-La-Livinière, rouge 2021

Dem Nashornkäfer sei Dank: Premier-Cru-Qualität zum Ortsweinpreis

Gilles und Éric Chabberts Weine gehören ohne Wenn und Aber zum Besten, was die AOC Minervois-La-Livinière zu bieten hat. Das liegt neben Gilles önologischen Sachverstand und der Leidenschaft, mit der er zu Werke geht, insbesondere daran, wie eingehend er sich mit der natürlichen Optimierung der besonderen Terroirs der Domaine beschäftigt. So setzt er unter anderem Nützlinge ein, um die schwierigen und die Reben fordernden Bedingungen in seinen hochgelegenen Weingärten zu verbessern. Um die Wasserspeicherfähigkeit und Nährstoffverfügbarkeit in den teilweise extrem kargen Weingärten zu verbessern, nutzt er die Fähigkeit des Nashornkäfers (durch bestimmte Bakterien in seinem Verdauungstrakt) Zellulose (z. B. aus abgestorbenem Holz) in Humus zu verwandeln. Die Liebe zu diesem imposant aussehenden Nützling geht sogar so weit, dass sich das auch Orycte getaufte Insekt sowohl namentlich als auch als Illustration auf dem Etikett seiner Prestige-Cuvée wiederfindet. Was der Nashornkäfer zu leisten im Stande ist, zeigt sich dann spätestens im Glas.

Kaum eingeschenkt, zeigt sich der „Orycte“ mit leuchtend, rubinroter Farbe und voller südfranzösischer Lebensfreude. Schon beim ersten Hineinriechen wird schnell klar, dass es hier um Hedonismus geht. In einem intensiv vollfruchtigen Bukett verweben sich reife Brombeeren, Heidelbeeren, ein Hauch Bitterschokolade, Zedernholz und etwas Garrigue zu einem verführerischen Duft. Am Gaumen offenbart der „Orycte“ die erwartet klare Frucht und kombiniert diese mit zarter, ätherisch-kräutriger Würze. Zusammen mit der so seidig, öligen Textur wirkt diese Cuvée aus Syrah, Grenache und Carignan kraftvoll, ohne je brachial zu sein. Im Gegenteil, alles wirkt fein und balanciert. Dank zurückhaltendem Tannin, vollmundigem Köper, authentisch, reifen Fruchtaromen und langem lakritzig-würzigen Finale zeigt der „Orycte“ eine Komplexität, die man in dieser Preisklasse nicht unbedingt erwarten kann. Bei so viel Tiefgründigkeit und Trinkvergnügen zu diesem eigentlich unverschämten Preis kann man schon fast von Wettbewerbsverzerrung sprechen. Uns soll’s recht sein – auf Gilles und Eric!

Ab sofort bis 2027.