Antoniolo
„San Francesco“ DOCG Gattinara Riserva, rosso 2019

Die Zukunft des Nebbiolos: „San Francesco“ zeigt die Reize der Rebsorte mit markanter vulkanischer Mineralik

97 Punkte – James Suckling

Kein anderes Weingut in Gattinara hat die Spielarten, Reize und Nuancen der Rebsorte Nebbiolo so verstanden und decodiert wie die 1948 gegründete azienda vitivinicola Antoniolo. Ihr ist es mit zu verdanken, dass die kleine und lange Zeit unbedeutende Appellation des Alto Piemonte inzwischen als Vorzugs- und Zukunftsort des Nebbiolo gilt: Als viele Weinbauern nach dem zweiten Weltkrieg die Landflucht ergriffen, zum Broterwerb in die Industrie-Metropolen zogen und die Weinberge zu verwildern drohten, stemmte sich die Winzer-Familie Antoniolo dagegen und widmete sich mit großer Leidenschaft dem anstrengenden und fordernden Berg-Weinbau: So konnte diese traditionsreiche, bäuerliche Kultur erhalten und die Qualität der Weine sogar noch verbessern. Im Alto Piemonte türmen sich die Steillagen in die Höhe bis auf 500 Meter, vom Norden werden sie durch die Alpen vor zu harschen Winden geschützt, es ist ein Wechselspiel aus warmen Tagen und kühlen Nächten, die den Weinen eine besondere Spannung, Würze und Delikatesse verleihen: Der Prototyp des Gattinara-Nebbiolos zeigt sich schlank, druckvoll und fein, er erinnert in seinem Finessenreichtum an Pinot Noir. Weil es in der Langhe in mancher Spitzenlage schon zu heiß für diesen Nebbiolo-Typus geworden ist, weckt Gattinara mit seinen Böden aus Vulkanverwitterungsgestein und Sand Begehrlichkeiten unter den norditalienischen Spitzenwinzern, die sich dort einzukaufen versuchen. San Francesco ist neben dem Osso San Grato die Top-Selektion von Antoniolo, die sich durch ihre Delikatesse und Finesse abhebt, während Osso San Grato durch seine Kraft, Struktur und Konsistenz imponiert.

Die Cru-Lage San Francesco, nach dem heiligen Franziskus benannt, verfügt über einen hohen Porphyr-Anteil, es ist ein feinkörniger, vulkanischer Boden, der dem Wein eine markante Mineralität mitgibt. Die Trauben von den über 60 Jahre alten Reben wurden sorgfältig von Hand gelesen, nach einer Maischestandzeit von 20 Tagen mit natürlichen Hefen in Zementtanks vergoren. Anschließend wurde die Riserva über 36 Monate in Tonneaus und großen Holzfässern ausgebaut, danach reifte sie noch zwölf Monate in der Flasche. „San Francesco“ fächert das vielschichtige Duftbild auf, das Nebbiolo so attraktiv machen kann: Etwas Torf, Waldboden, wilde Pflaume, Kirsche, Wald- und Blaubeeren, erdige rote Beete, kühler Rauch, Veilchen, dunkler Pfeifentabak, getrocknete Kräuter wie Rosmarin, Thymian, Lorbeer, schwarzer Pfeffer, Graphit deutet die vulkanische Mineralik an. Am Gaumen mit druckvollem Extrakt, der sich engmaschig in die kraftvolle Struktur einpasst. Die Gerbstoffe zeigen die zwei Gesichter, die Nebbiolo von anderen großen Rebsorten unterscheidet: Sie schmeicheln mit samtener Feinkörnigkeit, zeigen aber auch die exakt getroffene, griffige Adstringenz, die den Gaumen strukturiert und anzeigt, dass San Francesco ein langes Leben vor sich hat. So halten Eleganz mit einer perfekt dosierten Kantigkeit den Gaumen unter Spannung. Wildkirsche, Brombeere und Waldhimbeere bringen eine Prise Fruchtsäure mit, die den souveränen Säurestrang unterstützt, tiefgründig mit markanter mineralischer Durchdringung und Anklängen von Eisen, die der Riserva ihre Seele gibt. Sehr lang und mit Reserven, die noch erschlossen werden wollen. Auch der heilige Franziskus wäre sicher stolz auf die famose, ihm gewidmete Riserva aus der Höhenlage. Kühler, distinguierter Nebbiolo in delikater Ausführung!

Geduld wird belohnt, ansonsten sollte der Wein vor Genuss in den nächsten Jahren unbedingt dekantiert werden. Entwicklung bis sicher 2040.