Baricci und „fancy“ Brunello? Aber nicht doch! Diese Weine sind klassisch, ja zeitlos und auf höchstem Niveau!
96/100 – Vinous
98/100 – #KOwine
Den neuen Jahrgang von Bariccis Brunello di Montalcino im Glas – und immer wieder kurz der Blick aufs Etikett, das so unprätentiös und schlicht wirkt, dass jemand, dem Baricci nichts sagt, vermutlich achselzuckend daran vorbeigehen würde. Ebenso unauffällig ist die Farbe der Baricci-Weine, die eher an einen klassischen Chianti erinnert als an einen Brunello, von dem man heute eher dunkle, undurchsichtige Töne gewohnt ist. Doch hebt man das Glas zur Nase, wird schnell klar, dass alles Bisherige schlichtes Understatement war. Ganz so, wie es dem Charakter des Weinguts und seiner Besitzerfamilie seit den 1950er-Jahren entspricht. Was für ein Glück, kann man da nur sagen, denn an diesem Weingut sind – auch wenn der Keller gerade ein wenig modernisiert und Teile des Weinbergs neu bepflanzt werden – alle Moden vorbeigegangen, die Montalcino seither gesehen hat: keine konzentrierten Blockbuster, keine Investoren in schicken Anzügen, keine Marketingabteilung, nur akribische Arbeit in einem der besten Weinberge Italiens. Es ist der nach Norden ausgerichtete Montosoli, geprägt von Mergel, Meeresfossilien, Schieferquarz und Galestro-Böden. Hier entsteht dieses zeitlose, kraftvolle und zugleich schwebende Wunderwerk, wie es nur große Weine aus einem ebenso großen Terroir hervorbringen können, das ihre Besitzer bis ins kleinste Detail kennen. Der Jahrgang 2023 ist ein weiterer Beweis dafür, dass der Weg, den Nello Baricci, der seine Azienda Agricola 1954 gründete und 2018 im Alter von 95 Jahren starb, eingeschlagen hat, der richtige war. Er hat damals direkt auf biologischen Weinbau gesetzt (auch wenn er ihn nie zertifizieren ließ), aber er war so ehrlich, dass wir nie daran gezweifelt haben, zumal die Weinberge kerngesund aussehen. Er hat immer klassisch in großen Fässern aus slawonischer Eiche ausgebaut, kaum extrahiert oder in Barriques gelegt. Und so arbeiten heute auch seine Neffen Federico und Francesco.
Der aktuelle Brunello di Montacino zeigt sich ziegelrot mit klarer Transparenz. Er öffnet sich mit Aromen von süßen Kirschen, Pflaumen und Waldbeeren, unterlegt von kühlen, mineralisch steinigen Noten, mit Minze und pikanten Zitrusnoten. Darüber liegt ein Hauch von Teer, Veilchen und Rosen, Kirschkernen und indischen Gewürzen, Leder und Tabak. Am Gaumen prägt der warme Jahrgang zwar die reife Frucht, doch der Gesamteindruck ist auch hier von Frische, Saftigkeit, klassisch feinkörnigem Tannin und tiefer Mineralität geprägt. Kein Wunder, dass Eric Guido für Vinous 96 Punkte dafür aufruft, denn es handelt sich um einen exzellenten Brunello, der den Gaumen mit Präsenz, Charakter und grandioser Länge verwöhnt.
Sollte noch mindestens bis 2026 liegen, ist dann aber, entsprechend belüftet, ein Genuss. Höhepunkt wohl ab 2030, dann bis 2024+.
Bariccis Brunello di Montalcino von 2020 ist ein emblematischer Wein mit druckvollem Extrakt, raffiniertem Säurebogen und noblen Gerbstoffen.