Riecine
Chianti Classico DOCG, rosso 2022

Delikat, nur nicht für die Toskana-Fraktion

Will man Sangiovese schmecken oder französisches Eichenholz? Bei Riecine war das eigentlich noch nie die Frage, seit John Dunkley in den 1970ern das Weingut oberhalb von Gaiole in die erste Reihe der Chianti-Produzenten schob. Die große Vergangenheit der bereits im 13. Jahrhundert erwähnten Kloster-Weingärten sollte nicht in den Moden der Neuzeit untergehen. Alle Nachfolger bis herauf zum aktuellen wine maker Alessandro Campatelli hielten sich an das alte, vor allem aber gute Rezept. Aktuell wird daher die Eleganz des Chiantis von Riecine bereits in den Weinbergen, die biodynamisch bearbeitet werden, vorbereitet. Ein Ausbau im Zementtank und ein lediglich skrupulöser Einsatz von Holzfässern (gebrauchte tonneaux und Fuder) bringt die in der Natur gewonnene, nahezu burgundische, Feinheit des Sangioveses in den Keller. Und sodann in die Flasche.

Was man gerade in der Jugend dieses Toskana-Klassikers deutlich merkt. Die Nase des Chianti Classicos von 2022 signalisiert Vertrautheit; der Fleischsaft-Kirsch-Duft des Sangioveses stellt sich sofort ein. Allerdings fällt bereits hier die Absenz jeglicher Bitter-Noten auf. Die rotfruchtige Mischung wirkt weich und zugänglich wie frisch verrührte Waldbeeren. Im Mund wird das Tannin zwar doch spürbar, doch es ist ein nicht von der Seite der Frucht weichender Begleiter. Wie bei Preiselbeeren oder Kornellkirschen gehört diese herbe Erscheinungsform zu diesem Riecine-Rotwein dazu. Lorbeer-Blatt und Tapenade ergänzt diese herb-säurige Lebendigkeit. Haus-Verbot hat hier allenfalls eine weichgespülte Süße, mit der man anderswo den Chianti schneller „zugänglich“ machen will! Dieser 2022er ist dafür gedacht, zum Essen serviert zu werden. Man kann seine leise Bitte nach einem Begleiter mit leichter Süße – das Wildschwein-Sugo drängt sich förmlich auf! – praktisch mit jedem Schluck deutlicher hören. Und wer zu der in Napoli verpönten „Pizza Hawaii“ wenigstens im Glas seriös agieren will, hat ebenfalls den perfekten Rotwein zur Hand. Solistisch wie auch zu Tisch sollte man ihn nur ein wenig ankühlen. Denn die Freude, die der sich langsam erwärmende Chianti Classico macht, ist Teil des Erlebnispakets aus Gaiole.

Jetzt bis 2036.