Riecine
„Riecine di Riecine“ IGT Toscana, rosso 2020

In voller Lebendigkeit: Quintessenz des Sangioveses! 92 Punkte – VINOUS

Ein Weingut des Namens Riecine bei Gaiole im Chianti findet bereits im 12. Jahrhundert auf den Plänen der Abbazia di San Lorenzo in Coltibuono Erwähnung. Heute, nach unüberschaubar vielen Generationen von Besitzern, teilen sich Lana Frank und Alessandro Campatelli die Verantwortung für ein Weingut, dass, auf so viele Wechsel und Umbrüche zurückblickend, eine beinahe ungeheure Kontinuität ausstrahlt. Der „Riecine di Riecine“ von 2020 ist das Paradebeispiel für Innovation innerhalb von Tradition. Die allgegenwärtige Rebsorte Sangiovese (im Chianti immer noch die Nummer eins) wird hier mit begnadeter Sicherheit etwas anders „ausgeleuchtet“. Während es dort weithin üblich ist, dem Sangiovese zur Einhegung seiner Lebhaftigkeit etwas Holz mit auf den Weg zu geben, haben sich Frank und Campatelli entschieden, ihm eben dieses vollständig vorzuenthalten, seine Vitalität quasi ohne Zaumzeug auf die Flasche zu bringen. Eine beglückwünschenswerte Entscheidung, finden wir. Auf den typischen Lehm-Kalk-Böden des Chianti wachsen die 60 Jahre alten Reben des Riecine – und was sich an Vinifikationsvirtuosität dann anschließt ist schlicht beeindruckend: Nach selektiver Handlese wir vollständig entrappt. Die Beeren werden in einen Betontank eingeschichtet und nur durch ihr Eigengewicht angequetscht. Trockeneis und äußerst geringe Bewegung helfen während der spontane Gärung, auch noch das letzte Quäntchen Frucht zu bewahren (in den ersten 48 Stunden der 30 Tage auf der Maische wird nur hinuntergedrückt, dann einmal am Tag überschwallt). Anschließend kommt der Wein zur Reife für 36 Monate in ein unbeschichtetes Beton-Ei (Nomblot). Der unfiltrierte Wein darf sich dann noch weitere sechs Monate in seiner Flasche ausruhen.

Diese Quintessenz des Sangioveses ist dann selbstverständlich auch den Sinnen geboten: Das Granatrot ist bei Bewegung sofort in der Lage sein Inneres, einen prächtigen Rubin leuchten zu lassen. Das Bouquet ist in allem Reichtum schon fast eine Herausforderung: Kirsche in herrlicher Frische, rote Johannisbeere, Pflaume, frisch geerntete Rosenblätter, Pinienhainboden, Kakao, Tabak, Zigarrenkiste, Pfeffer, Eukalyptus, Rosmarin, Thymian, frisches Tomatenlaub, Paprikapulver, getrocknete Wildblumen; und alles in Helligkeit und Freiheit. Der Reichtum an Aromen findet am Gaumen dann tatsächlich noch seine Meisterin. Die Lebendigkeit der Säure, die reizvollen Wechsel von Süße zu Tannin-Rauheit, die sehr späten Eindrücke von Schwere (erst im Ausklang!) machen den Riecine zu einem echten Erlebnis, das selbst dem ausgewiesenen Sangiovese-Kenner noch Neues zu berichten weiß.

Ab sofort bis mindestens 2033+.