Ein Riese vom Berg dahinten … 97 Punkte – WINE SPECTATOR („Highly Recomended“) | 96+ Punkte – PARKER
Wer das Glück hatte, einen jener alten Toskaner kennenzulernen, diesen unbeschreiblichen Humor einmal zu erleben, der, ganz Understatement, bei der Frage aller Fragen: „Wo kommt dieser geniale Wein eigentlich her?“ (eine Frage, die in uns für ein gefühlte Ewigkeit schon am Kochen gewesen sein musste; eine Frage, die bei Winzern anderen Schlages Daumen zwischen Weste und Achseln treibt) nur eine sonderbar-schludrige Antwort absondert: „Colledilà“ – „(vom) Berg dahinten.“– der Mensch, der das hat erleben dürfen, ist wahrhaft glücklich zu nennen. Ricasolis gleichnamige Gran Selezione von 2021 gibt uns Schluck für Schluck ein annähernd anregendes Gefühl. Die zurückgelehnte Haltung dieses reinen Sangioveses können wir auf vielerlei Ursachen zurückführen: Mit Francesco Ricasoli ist da ein wirklich großer Winzer am Werk gewesen. Nachdem er für seine Familie das Weingut zurückerwerben konnte, das für Jahrzehnte als Spekulationsobjekt verschiedener Konzerne gedient hatte, hat er nicht nur den großen Namen restauriert, sondern mit seinem urgesunden Modernitätsverständnis eine Art Klassizität ohne „Stehenbleiben“ geschaffen. Seine Forschungen, die es ihm heute möglich machen Chianti Classico aus 100 % Sangiovese zu keltern sind Meilensteine. Die Rebsorte hatte im Laufe des letzten Jahrhunderts einen schlechten Ruf bekommen, den loszuwerden hat Ricasoli sich zur Lebensaufgabe gemacht. Und das ist nicht so einfach gewesen. Wenn diese Sorte nicht in der richtigen Pflanzdichte, zur angepassten Form erzogen auf ihrer jeweiligen Lage steht, kann es – und wie oft haben wir’s erlebt – schnell unappetitlich werden (zu viel Feuchte und die dünnschaligen Beeren platzen leicht auf, das innere oxidiert oder Botrytis kommt zu Besuch; zu trocken und die Pflanze holt sich den Saft der Beeren zum Überleben zurück – der Wein wird geschmacklich blass). Seine 1997 gepflanzten Reben „auf dem Berg da“ wurzeln in felsig-lehmigem Kalkboden auf 380 Metern Höhe (nach Südosten geneigt), können sich ihre Sonne holen und haben keine Schwierigkeiten, überschüssige Feuchte an die Winde abzugeben. Im Keller ist nach der selektiven Handlese nur einfachste Technik am Werk. Die Gärbottiche aus Edelstahl ermöglichen Temperaturkontrolle (24 bis 27 °C). Der Wein bleibt für 14 bis16 Tage auf der Maische (tägliches Runterdrücken des Tresterhutes inbegriffen) und kommt dann für 22 Monate in tonneaux zu 500 Litern (nur 30 % Erstbelegung).
So einfach das alles auch geklungen haben mag: Wenn wir den „Colledilà“ im Glas vor uns haben, können wir es kaum fassen. Seine immense Würze (nasse Terrakotta, Herbstlaub, Waldboden, Kaffee, Lilie, geröstete Haselnuss, Weihrauch, Kakao, Zigarrenkiste, Nelke, Muskat, Pfeffer, Stroh, Lakritze) beherrscht sofort den Raum. Mit reichlich Luft und Zeit stellt sich ein Gleichgewicht mit Fruchtaromen (üppige rote Kirsche, Pflaume, Erdbeere, Granatapfel, schwarze Johannisbeere) ein, das dann am Gaumen von eben jener berühmten Sangiovese-Säure noch kleine Korrekturen erfährt – die Säure fungiert quasi als „Fruchtlupe“. Die Tannine verhalten sich schon jetzt (2024) so, als seien Alterung und weitere Flaschenreife nicht nötig (mal sehen?). Wir glauben, dass der Alte, der da so schludrig-achtlos „Der Berg da!“ geantwortet hat, immer schon genau wusste, wie gut das ist, was wir da probierten. Oh ja!
Ab sofort bis mindestens 2040+.
Ricasoli hat mit seiner Gran Selezione aus dem Chianti Classico namens „Colledilà“ von 2021 ein völlig entspanntes Nasen- und Gaumenparadies geschaffen.