Licht in Säure und Tannin dehnt sich in Ewigkeit aus.
96/100 – James Suckling
96/100 – Wine Spectator
Es passiert uns selten: wir entkorken eine Flasche und ihr Inhalt fängt sofort an, den Raum um uns herum zu erfüllen mit Duft. Wir hatten doch ganz sicher die Flasche nicht zu sehr bewegt? Nein. Hier will einfach nur ein ganz Großer seinen Auftritt haben. Die Lage „CeniPrimo“, die südlichste der Familie Ricasoli, im Tal des Arbia, mit ihren komplexen Böden aus Schlick, kaum Fels, Lehm, wenig Kalkstein und geringen Anteilen organischer Materie (300mNN, nach Südwesten ausgerichtet) hat auch 2021 wieder einen Giganten hervorgebracht. Die denkbar einfachsten Kellertechniken (Gärung bei 24 bei 27 °C und täglichem Runterdrücken des Tresterhutes für 14 bis 16 Tage im Edelstahl. 22 Monate in tonneaux – 500 Liter, 30 % neues Holz, 70 % Zweitbefüllung) waren dabei nicht das Auschlaggebende. Die eigentliche Arbeit hat Francesco Ricasoli in den 90ern geleistet. Nach dem Rückkauf des Familiengutes hatte er sich in Forschung vertieft. Es galt, die richtigen Klone des Sangiovese für die entsprechenden Böden zu finden (hier, für alle, die an solchen Details interessiert sind: VCR23, VCR5 und R24), diese Pflanzen in der idealen Dichte zu setzen und die Reberziehung festzulegen, die Sonnenschutz und Durchlüftung gleichermaßen gewährleistet (denn Sangiovese ist in vielfacherweise anfällig).
Während uns also die Aromen (Erde, rote Kirsche, geröstete Haselnuss, Sandelholz, Erdbeere, Zeder, nasser Korb, Pflaume, Pfeffer, Zimt, Rosmarin, Veilchen, frische Steinpilze, Lakritze, Kakao) um die Nase wehen und wir fast schon verzweifelt versuchen in diesem Geschehen die Dramaturgie zu bestimmen, hilft es sehr sich an diese Weinbereitungsprinzipien zu erinnern: Holz soll hier keine Hauptrolle spielen (ein Grundsatz, den so viele Winzer im Chianti leider seit den 70ern verwarfen), es soll vielmehr stützen und höchstens Lücken schließen, die Kenner im mittleren Bereich des Gaumenspiels bei Sangiovese ausgemacht haben wollen. Hier herrscht Licht! Säure und Tannine setzen sich maßvoll durch gegen Alkoholwärme und Süße – ein wunderbarer Kontrast zu den waldigen Aromen – den Früchten eine nette Begleitung. Der Gesamteindruck von Frische soll hier sicherlich als „weiterführend“ wahrgenommen werden – bei perfekter Balance in einen wahrlich „ewigen“ Ausklang. Was für ein Gigant!
Ab sofort bis mindestens 2040+.
Die Dramaturgie von Aromen und Säure-Tannin-Licht der Gran Selezione „CeniPrimo“ von 2021 aus dem Chianti Classico macht ihn zum Giganten. Ricasoli eben!