Terroir triumphiert über Allerweltsgeschmack: Merlot abseits des Mainstreams.
Kaum zu glauben, dass es Super-Tuscans schon seit über 50 Jahren gibt. Einst als trotzige Reaktion auf die restriktiven Vorschriften des Chianti Classico erschaffen, haben viele der klangvollen Namen beinahe mythischen Status erlangt. Kaum bekannt ist dagegen, dass in der Toskana auch lohnende Rotweine angebaut werden, die zwar aus Bordeaux-typischen Rebsorten gekeltert sind, sich aber dem weichgespülten, international erfolgreichen Mainstream bewusst widersetzen. Zu diesen fest in ihrem Terroir verankerten Tropfen gehört allen voran dieser dunkel granatrote Merlot von Boscarelli, der als „IGT Toscana“ abgefüllt ist. Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen in aller Welt hat der talentierte Önologe Maurizio Castelli gar nicht erst versucht, die monumentalen Weine aus Pomerol oder Saint-Émilion zu kopieren. Auch trachtet sein Merlot im Unterschied zu zahlreichen Super-Tuscans nicht danach, vom Image der berühmten Bordelaiser Gewächse zu profitieren (mit Preisen weit jenseits der Schmerzgrenze). Dafür besitzt er, geprägt vom Mikroklima in Centoia (Cortona), seinen ganz eigenständigen Charakter: Gewachsen auf Schwemmlandböden mit einem hohen Anteil Ton ist dies ein Wein, der durch präzise Säurestruktur und eine gewisse Kernigkeit gefällt. Also beinahe das Gegenteil von allzu viel Fülle, Harmonie und Geschmeidigkeit, von allzu viel Alkohol und generöser Opulenz. Sein Tanningerüst und der berühmte „Grip“ sind so Toskana-typisch, dass nicht falsch liegt, wer diesen Wein für den Sangiovese unter den Merlots hält. Die Trauben werden von Hand gelesen und nach dem Abbeeren und sanften Pressen mit einheimischen Hefen in Stahltanks vergoren, die höchstens zu zwei Dritteln gefüllt sind. Der Gärungsprozess dauert bei kontrollierten Temperaturen etwa eine Woche. Ein Teil des Weins wird einige Monate lang in Stahltanks, ein weiterer Teil in Holzfässern ausgebaut, wo die malolaktische Gärung stattfindet. Vor der Abfüllung wird eine leichte Filtration durchgeführt, es folgen einige Monate der Ruhe in der Flasche. Das Bouquet ist von fruchtigen bis balsamischen, animalischen Komponenten geprägt – in der Nase treffen sich Cassis, Feigen und Brombeere, gefolgt von einem Hauch Vanille, Lakritze, einer Spur Harz und frisch gegerbtem Hirschleder. Herrlich saftig und ungemein frisch am Gaumen ist dies alles andere als ein „Super Tuscan“ wie man ihn kennt. Aber super ist er trotzdem.
Ab sofort bis 2025+.
Der fruchtig-frische Merlot von Boscarelli gefällt durch präzise Säure und eine gewisse Kernigkeit: das Gegenteil von zu viel Fülle und Opulenz.