AT-BIO-402
Diese Kühle! Lassen wir sie auf Touren kommen. 97 Punkte – JAMES SUCKLING
Lange sah man in Österreich den Gaisberg als „kleinen Bruder“ des berühmten Solitärs der Kamptaler Lagen, des Heiligensteins. „Diese Einschätzung wird jedoch dem Potenzial dieses Weinberges nicht gerecht“, widerspricht Johannes Hirsch. Für den biodynamischen Winzer ist der mit Braunerde bedeckte Glimmerschiefer „ein geradezu perfekter Boden für einen mineralischen Riesling“. Dazu muss man ein wenig die lokale Geographie bemühen, denn der Gaisberg gehört als südöstlichster Ausläufer des Manhartsbergs dem kristallin-kühlen Gestein der Böhmischen Masse an. Reife und Frische vereinen sich mit diesen Voraussetzungen, zumal die Rebstöcke von Hirschs Riesling mittlerweile rund 40 Jahre alt sind.
Dementsprechend gilt hier einmal mehr die Beobachtung, dass Lage mitunter über der Sorte steht. Ein erster Duft-Check bestätigt das: Es muss nicht immer Pfirsich sein! Unter den so unterschiedlichen Top-Lagen – bekräftigt durch die Nomenklatur der „Österreichischen Traditionsweingüter“ (ÖTW) – Johannes Hirschs liefert der Gaisberg den wohl kühlsten Ausdruck. Zitronencreme und Gelber Apfel lassen diesen Riesling bisweilen lebendig-frech wie einen guten Cidre im Duft wirken. Das ist sicher nicht der Sorten-Stil, wie man ihn vielleicht von der Mosel oder dem Rheingau kennt. Aber er zeigt, wie sehr das Diktum vom Kamptal als der „neuen Wachau“ in Zeiten des Klimawandels stimmt. Der feinfruchtige Gaisberg 2022 wartet auch im Mund mit einer integrierten Säure auf, die in zweiter Lesung auch mineralische Elemente offenbart. Es ist nicht die klirrende Mineralik eines Heiligenstein, aber dafür auch zugänglicher für Weintrinker, die mit den Feuerstein-Tönen nicht vertraut sind (oder gar damit hadern). Das Spiel aus diesen Boden-Tönen, ergänzt um die Balance von Fruchtigkeit und Säure, zeigt bereits jetzt an, wohin die Reise bei diesem langlebigen Riesling gehen wird.
Ein wenig nur muss sich die 270-Grad-Aromatik – alles außer „bitter“ bringt der 2022er-Jahrgang mit! – noch enger verweben, dann wird Hirschs Händchen für Sorte und Terroir unverkennbar. Wer sich hingegen dem Gaisberg jetzt schon nähern möchte, sollte ihm etwas Zeit geben. Karaffieren wäre anzuraten, aber auch ein großes Glas. Schließlich braucht die Kiste Steinobst, die sich spät, aber ganz von selbst, entpackt, Zeit das zu tun. Nektarine und Weinbergpfirsich stellen sich als Geschmack nach einer halben Stunde ein, sie zeigen endgültig, dass man nicht nur großartigen Wein im Glas hat. Sondern auch großen Riesling –aus der kühlen Neigungsgruppe Kamptal!
Ab sofort bis 2034.
Langlebiger Riesling mit fein gesponnenem Säure-Gewebe und dezenter Fruchtausprägung. Gaisberg 2022 jetzt einlagern und in frühestens drei Jahren genießen!