Telmo Rodriguez
„Corriente“ DOCa Rioja, tinto 2022

Gegenentwurf vom Bilderstürmer der Region

Wer Telmo Rodríguez schon einmal bei einer seiner passioniert geführten Verkostungen erlebt hat, weiß, wie schwierig sein Verhältnis zu Rioja ist. Die Region werde unter ihrem Wert geschlagen heißt es da gerne und seine ultimative Frage angesichts der internationalen Fokussierung auf Einzellagen lautet stets: „Welche »Grand Crus« kennen Sie in der Rioja?“. Es ist also doppelt spannend, wenn sich Rodríguez seiner Heimat annimmt. Neben dem neuen Projekt „Lindes“, in dem er die einzelnen „pagos“ zum Funkeln bringt, hat er mit dem „Corriente“ auch einen Gegenentwurf zum überholzten Einstiegssegment (ein Relikt der 1980er) in die Rioja-Welt. Hier geht es um Leichtfüßigkeit und täglichen Genuss, der aber bei aller Zartheit, dennoch in Spaniens bekanntester Weinregion verankert bleibt. Und dort hatte er einst auch seinen Platz – „Corriente“ war die süffige Qualität, während „Selecto“ die edlen Weine, die Riojas für den Feiertag, bezeichnete.

Wenn man einen so typischen Spanier ins Glas bringt, sind die Sinne jedenfalls geschärft. Und die Rubin-Farbe des 2022ers macht bereits die ersten Punkte. Der Duft, der folgt, verbindet reife Früchte, eine Reminiszenz an Waldspaziergänge und vor allem Schwarztee-dunklen Gerbstoff miteinander. Die Gewürze – vor allem Nelke und Piment – bringen die Erinnerung an Zwetschken-Kompott mit, allerdings wurde hier mit dem Zucker gegeizt. Das dominante Element des Duftbilds sind herbe Zwetschgen, jene, die vielleicht zu spät geerntet wurden, aber umso mehr den wahren Fruchtausdruck, die vom Reife gekrönte Hülle, erkennen lassen.

Man täuscht sich mit dieser pomologischen Spitzfindigkeit auch nicht. Am Gaumen kommen die Tannine, rund geschliffen wir ein Bachkiesel, wunderbar zur Geltung. Sie bieten die Leitplanken für eine dahinströmenden Frucht-Fülle. Rote und schwarze Beeren wechseln sich geschmacklich ab, vor allem ist aber kein Übermut, keine Überreife, vorgesehen beim „Bueno de Diario“. Und wenn ins persönliche Tagebuch nur eingetragen wird „Heute Rotwein von Rang getrunken“, dann ist das nicht wenig. Und vor allem vollkommen korrekt. Denn dieser Rioja steht außerhalb der Dichotomie „aufheben oder wegtrinken“. Er bereitet jetzt Spaß und hält dieses Versprechen auch noch für Jahre.

Ab sofort und bis 2030.