Finesse und Kraft – gemacht für die Ewigkeit!
95/100 – James Suckling
95/100 – Tim Atkin (Rioja 2024 Special Report)
93/100 – Robert Parker Wine Advocate
Am Anfang steht das Erstaunen. Ist den Perfektionisten der Bodega R. López de Heredia etwa ein Fehler unterlaufen und es hat sich eine Burgunderflasche versehentlich ins Programm geschmuggelt? Natürlich nicht. Bei den Großmeistern des gereiften Rioja hat alles Sinn und Verstand, was nichts anderes heißt, als dass die sanft geschwungene Flasche des 2011er-„Viña Bosconia“ Reserva eine programmatische Ansage ist: Im „Bosconia“ erleben wir eine ziemlich großartige, wenn nicht die großartigste Burgunderinterpretation der Rioja, freilich nicht aus Pinot Noir vinifiziert, sondern mit den klassischen Reben aus dem Norden Spaniens. Hauptprotagonisten sind dabei die beiden Rebsorten Tempranillo (80 %) und Garnacha (15 %), dazu kommen noch sehr kleine Mengen Mazuelo und Graciano. Alle zusammen wachsen sie in der Lage „El Bosque“ („der Wald“) am Ufer des Flusses Ebro auf einer Höhe von 465 Metern. Die durchschnittlich etwa 40 Jahre alten Rebstöcke profitieren nicht nur vom Mikroklima in unmittelbarer Flussnähe, sondern auch von dem recht hohen Lehmanteil des Bodens, auf dem der Gründer des Guts Don Rafael Anfang des 20. Jahrhunderts sogar Pinot Noir pflanzte – burgundische Finesse faszinierte ihn! Eigentlich schade, dass es diese alten Pinot-Reben heute nicht mehr gibt. Aber immerhin ist die burgundische Flaschenform geblieben.
Nach der Handlese und einer spontanen, möglichst langsamen Vergärung in großen Holzfudern, die teilweise über 100 Jahre alt sind, wird der Wein über fünf Jahre lang in – zum überwiegenden Teil gebrauchten – Barrique-Fässern gelagert. Nach der ausführlichen Fassreife ruht der „Bosconia“ weitere sechs Jahre auf der Flasche. Es ist immer wieder unglaublich, wie viel Zeit und Geduld das Weingut aufwendet, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Und für alle, die eine romantische Ader haben und das sind viele Weinliebhaber: Es ist schlicht eine große Freude zu sehen, wie diese Weine, die Zeit zum Reifen bekommen. Wollte man es überhöhen, könnte man sagen: Die Art, wie bei R. López de Heredia gearbeitet wird, ist der handwerklich-perfektionistischen Gegenentwurf zum tempogetriebenen Turboweinbau, bei dem bereits fünf Monate nach der Ernte der Verkauf beginnt und Geduld keine, die Rendite dafür eine große Rolle spielt – das aber nur als kleiner Exkurs.
Wie dem auch sei – der Reserva „Viña Bosconia“ von 2013 hat die Reife auf jeden Fall extrem gutgetan. Er funkelt Granatrot im Glas, die Ränder mit einem Hauch von Ziegelrot. In der Nase entfaltet sich ein extrem vielschichtiger Duft, der sich über den Abend und wann immer man den „Bosconia“ genießt, immer weiter auffächert. Es beginnt mit satter Kirsche (Burgund!), dann kommt Rosenblatt dazu, später etwas heller Tabak, auch Schlehe zeigt sich. Am Gaumen dominieren unglaublich elegante, schmelzende und doch griffige Gerbstoffe, es ist eben doch Burgund! Gleichzeitig entfaltet der Wein eine atemberaubende Frische und hat einen famosen grip. Es ist eine Mischung aus satter Kraft und Eleganz, also das, was wir suchen. Wie in der Nase changiert auch Aromatik am Gaumen. Anfangs sind es vor allem rote Früchte, wieder viel Kirsche, dann kommen aber auch Trüffel dazu und – nach geraumer Zeit – feine Milchschokolade. Um es kurz machen: Das ist ein großer Wein, der perfekt gereift ist.
Ab sofort und bis 2040+.
PS: John Gilman (View From The Cellar) nennt „2023–2085+“ als Trinkfenster …!