Pikant-frischer Vulkanwein in Samt und Seide und nicht allzu großer Stückzahl … 92+ Punkte – VIEW FROM THE CELLAR
Pikant-frischer Vulkanwein in Samt und Seide und nicht allzu großer Stückzahl …
Über lange Zeit hinweg galt die rote Mission-Rebe, auch País, Criolla Chica oder Listán Prieto genannt, als „die“ Rebsorte der sogenannten „Neuen Welt“. Sie war die Rebe der Missionare, die daraus die ersten Messweine in Süd-, Mittel- und Nordamerika erzeugten, und sie verbreiteten sie dort auch überall. Später wurde sie die Basis des „Pipeño“, eines ziemlich rustikalen Alltagsweins, der von den huasos oder campesinos (einfachen Weinbauern) erzeugt wurde. Dieser simple Wein aus hohen Erträgen, der häufig noch mit Wasser verdünnt wurde, dürfte dem Ansehen der Sorte außerhalb Südamerikas nicht geholfen haben. Doch wie es nicht selten der Fall ist, ändert sich das Urteil über eine Rebsorte, wenn man anders mit ihr umgeht und sie sich entfalten lässt. Auf Teneriffa steht der Listán Prieto (der etwa 90 % des „Benje“ ausmacht, dazu heuer 9 % Listán Blanco und eine Winzigkeit Tintilla) auf Parzellen zwischen 75 und 300 Metern Höhe an den Hängen des Vulkans Teide, des höchsten Bergs der Kanarischen Inseln. Es sind alte unbeschnittene Buschreben, die diesen so einzigartigen Stoff für die rote Variante des „Benje“ liefern. Man kann den Viticultores de Santiago de Teide (insgesamt 15 Familien), mit denen das Envínate-Team zusammenarbeitet, nur danken, dass sie diese aufwendig zu bewirtschaftenden Flächen bis heute schätzen und pflegen. Sie sorgen für die Frucht, die Envínate dann später verarbeitet. Die vier Freunde kümmern sich darum, dass der besondere Charakter des Ortes und der Sorte so unverfälscht wie möglich in die Flasche kommt. Jede Parzelle wird von Hand verlesen und separat vinifiziert, einige in Beton, andere in kleinen offenen Kübeln. Die Mazeration (50 % Ganztrauben) dauert je nach Parzelle zehn bis 30 Tage. Die malolaktische Gärung findet in neutralen französischen Barriques statt, danach reifen zwei Drittel des Weins acht Monate in denselben Fässern ohne bâtonnage oder Schwefel-Zugabe, ein Drittel im Beton. Die Abfüllung erfolgt ohne Schönung oder Filtration mit einem nur minimalen Füllschwefel.
So entsteht ein Wein mit einem klaren, deutlichen und einzigartigen Charakter. Der Wein leuchtet hell und transparent im Glas, da die hier hauptsächlich verwendete Rebsorte Listan Prieto über nur wenig Farbstoff verfügt und die Trauben so wenig wie möglich extrahiert wurden. Anfänglich noch etwas verschlossen (in diesem noch frühen Stadium ist ein Dekanter von Vorteil) „feuersteinig-flintig“ im Duft, mit etwas Luft dann Noten von Sauerkirschen und weißem Pfeffer, vegetabile bis florale Elemente, die einträchtig neben Schießpulver, Erde und kühlem Stein das Geschehen bestimmen. Noch etwas später dann eine Kombination von Blutorangen samt Zesten, wildem Fenchel, etwas Baumrinde, die sich in Rauch auflöst, wieder etwas Kirsche, Johannisbeeren und eine Spur Kampfer. Ein ungemein subtiler, schwebend leicht wirkender Wein, der dann trotzdem eine gewisse Erdung an den Tag legt, die sich vor allem am Gaumen bemerkbar macht: mehr Stein (tiefenschärfer, nachhaltiger), mehr Pfeffer, aber auch mehr Umami! Der „Benje“ tinto ist so würzig und wild wie charaktervoll, mit ungemein feinen, mit leichter Hand gewirkten Tanninen, einer bemerkenswert samtigen Textur und einer Frische, wie sie tatsächlich nur ein „Vino Atlántico“ liefern kann. Ganze 20.000 Flaschen für die große weite Weinwelt – ranhalten!
Ab sofort (etwas Belüftung wirkt Wunder!), idealerweise ab Ende 2023/Anfang 2024 und dann sicherlich bis 2028+. Hierzu sei angemerkt: John Gilman empfindet und empfiehlt 2028–2055+ als Trinkfenster! Wir können und wollen solange nicht warten, werden aber die eine oder andere Flasche zur Wiedervorlage zurückhalten – man weiß ja nie …!
Evínates „Benje“ tinto von uralten wurzelechten Listán-Prieto-Reben ist ein grandioser Grenzgänger zwischen atlantischem Klima und vulkanischem Terroir!