Trink, was Du liebst, um es zu bewahren!
Der Pinot Noir, der Spätburgunder, ist eine mutationsfreudige Sorte. Zu den vielen Verwandlungen, die er neben denen zum Pinot Gris und Pinot Blanc durchgemacht hat, gehört die zum Frühburgunder, dem Pinot Noir Précoce oder Pinot Madeleine, wie er in Frankreich genannt wird. Das muss schon vor Jahrhunderten der Fall gewesen sein, denn darauf deuten sowohl die zahlreichen mehr als 100 Synonyme hin als auch die Tatsache, dass der Frühburgunder wohl schon im Mittelalter vom Burgund aus nach Ingelheim, wo Karl der Große zeitweise residierte und Burgundersorten anpflanzen ließ, und dann auch nach Churfranken gekommen ist. Trotz der langen Tradition wäre der Frühburgunder beinahe ausgestorben. Zwar war er in den frühen 1900er-Jahren an der Ahr noch die am weitesten verbreitete Rebsorte, doch schon in den 1960ern gab es in ganz Deutschland nur noch 15 Hektar. Das lag neben einem damaligen Virenbefall vor allem auch daran, dass die früh reifende Sorte durchaus noch komplizierter ist als der Spätburgunder, weshalb sich mit ihr irgendwann kaum noch ein Winzer befassen wollte. Mittlerweile aber erlebt die Sorte eine bescheidene Renaissance, unter anderem deshalb, weil Winzer wie Paul Fürst sich ihrer angenommen haben und sie sehr wertschätzen, besonders auch deshalb, weil sie als früh reifende Burgundersorte in Zeiten des Klimawandels einige Vorteile bietet.
Bisher hat man im Weingut und abgesehen von Jahrgängen mit quantitativ schmerzbaren Tiefpunkten stets zwei Frühburgunder abgefüllt. Doch weil die Weinberge mittlerweile alle auf ihre 30 Jahre zugehen und ohnehin niedrigste Erträge liefern (teils 15hl/ha), wird es zukünftig wohl nur noch die „R“-Variante geben. Zudem gibt es nochmals weniger Rebfläche, da einige Reihen gerodet wurden, sodass diese Spezialität von winzigen 1,5 Hektar stammt.
Für Sebsastian ist der Frühburgunder eine „echte Diva“, die zudem nur steinige Böden wertschätzt und in kalten Jahren verblüffend nah am Spätburgunder sein kann. In etwas Wärmeren zeigt er sich wilder und erinnert dann in etwas an Spätburgunder mit einem Schuss Syrah und Gamay. 2021 zeigt sich klassisch und lehnt sich schon sehr nah an die Schultern der Spätburgunder: Er duftet kirschig und nach roten Johannisbeeren, Walderdbeeren sowie etwas Graphit. Ein dichter, äußerst intensiver Rotwein und eben doch voller Rotfruchtigkeit und Saftigkeit strotzend. Wir halten große Stücke auf unseren Gaumen, doch in einer Blindprobe serviert, hätten wir hier Pinot Noir im Glas identifiziert! Was uns an diesem Wein so fasziniert und eine alte Weisheit hervorruft: Die schönsten Dinge im Leben sind oft nicht unbedingt die Offensichtlichsten und allgemein Bekanntesten. Um so schöner, wenn man großartige Entdeckungen im Kleinen macht, so wie hier. Denn die sind es, die uns als Menschen von neuem motivieren, uns bewegen. Und wenn Wein das schafft, hat man bereits eines der schönsten Mysterien dieses noblen Kulturtrunks für sich entdeckt. Erheben wir also unser Glas Frühburgunder, um ihn vor dem Aussterben zu bewahren und stoßen auf den Visionär Paul Fürst an, der sich als Bewahrer der Rebsorte bezeichnen darf!
Ab sofort bis nach 2036.
Frühburgunder „R“ 2021: Eine echte Spezialität aus dem Bürgstadter VDP-Weingut Rudolf Fürst, die von lediglich anderthalb Hektar Rebfläche stammt.