Auch 2022 dürfte es kaum feinere Kabinettweine geben als die von Joh. Jos. Prüm! 94 Punkte – VINUM Weinguide
Wer die Arbeit des Weinguts Joh. Jos. Prüm in Wehlen verfolgt, den dürfte es kaum überraschen, dass die Weine auch in diesem Jahr wieder zur Gebietsspitze gehören. Doch in 2022 fällt das noch stärker auf; denn der Jahresverlauf hat auf markante Weise die Spreu vom Weizen getrennt. Es gab jene, die nach Schema F gearbeitet haben – erstaunlich viele! –, und dann die anderen, die sich in ihrer Suche nach Perfektion auch von Hitze und Trockenheit nicht beirren ließen. Dazu gehörten Manfred und Katharina Prüm. Dass eine solche Arbeit eindeutige Mengeneinbußen mit sich brachte, konnten sich manche Weingüter vielleicht auch schlichtweg nicht leisten, und man kann froh sein, dass es sich bei den Prüms anders verhielt.
Was uns, auch wenn wir um die Qualität der Weine wissen, doch überrascht und fasziniert hat, ist der Umstand, dass die 2022er trotz der Wetterbedingungen nicht nach einem heißen Jahr schmecken. Der Kabinett aus dem Graacher Himmelreich beispielsweise präsentiert sich mit einer kristallinen Klarheit, einer Spannung und auch Frische am Gaumen, wie man sie eigentlich von einem kühlen Jahr wie 2021 gewohnt war. Der Wein aus Parzellen, die sich direkt hinter der kleinen Ortschaft Graach an der Mosel befinden, wo die Reben bei einer Hangneigung von 45 bis 65 % zum Teil noch in der traditionellen Einzelpfahlerziehung in verwittertem grauen und blauen Schieferboden wurzeln, wirkt völlig zeitlos. Das mag auch daran liegen, dass es im Graacher Himmelreich unterirdische Quellen gibt, die den Hang gut mit Wasser versorgen. Wie üblich im Weingut Prüm wurden die perfekt gereiften Trauben von Hand gelesen und im Edelstahl spontan mit natürlichen Hefen vergoren. Dabei hat man die Trauben zum frühestmöglichen Zeitpunkt gelesen, was die Säure stabilisiert und die Trauben vor Fäule bewahrt hat; denn zu allem Überfluss kam nach der Trockenheit ausgerechnet zur Lese der Regen. Nach den heute in diesem jungen Stadium noch präsenten Gärnoten, die sich aber recht schnell verflüchtigen – Katharina Prüm empfiehlt, die Weine am Abend vor dem Genuss zu öffnen und im Kühlschrank atmen zu lassen –, zeigen sich Anklänge von grünem Apfel, Mandarine und Limette, etwas Ingwer und weißer Johannisbeere, Tonic, etwas Pfeffer, Verbene und Minze. All das aber wirkt nicht expressiv, sondern fein miteinander verwoben und mit etwas Rauch und Fenchelgrün garniert. Am Gaumen dann zeigen sich Kraft und Druck, eine kristallklare Säure und eine elektrisierende Mineralität bei einer gleichzeitigen Dichte am Gaumen, die bemerkenswert ist. Süße und Säure sind perfekt balanciert, wobei man die Süße kaum merkt, ganz ähnlich wie bei einem Indian Tonic Water, wo das Chinin die Aufmerksamkeit fesselt. Ein Prachtstück von Kabinett mit gelungener Reife, Finesse, Frische und viel Charme!
Idealerweise ab 2026 bis mindestens 2044, vermutlich aber auch noch länger ein Genuss.
Die Mengen sind gering, die Qualität jedoch über jeden Zweifel erhaben. Prüms Kabinett-Riesling aus dem Graacher Himmelreich ist ein Prachtstück!