„Der Jahrgang hat eine schöne dunkle Mineralität und ist extrem stimmig.“ – Tim Fröhlich | 96/100 – JAMES SUCKLING
Die Kupfergrube in Schlossböckelheim erinnert uns an Klaus Peter Kellers Abtserde. Wenn wir die großen Weine probieren, dann zeigt sich die Kupfergrube meist noch am unfertigsten, denn sie braucht oft mehr Zeit in der Gärung, wirkt im Frühjahr noch diffus. Es bedarf einfach mehr Zeit, bis sich der Riesling von hier in voller Klarheit zeigt. Das gibt der Kupfergrube ein fast mystisches Element, dieser von Porphyr-Gestein geprägten Lage mit über 50-jährigen Reben.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Felsenberg, gerade einmal 150 Meter entfernt wächst das Große Gewächs der Kupfergrube – ein völlig anderer Rieslingcharakter. Auf einer alten Kupferschürfung an einer Engstelle des Nahe-Tals entstand diese weltweit wohl einzigartige Weinberglage, in der das Weingut Schäfer- Fröhlich ein „Filetstück“ besitzt: Die steilste Parzelle (bis zu 70 % Steigung!), spektakulär am Fuße einer nackten vulkanischen Felswand gelegen, welche die Wärme in die sorgsam gepflegten Rebanlagen reflektiert, mit einem fantastischen Mikroklima gesegnet, das wegen der Enge des Tals und der dadurch bedingten leicht verminderten Stundenzahl der Sonnenscheineinstrahlung eine langsame, gleichmäßige, optimale Ausreifung der lockerbeerigen Träubchen garantiert, die wiederum für die singuläre Stilistik dieses Rieslinggiganten verantwortlich zeichnet. Der äußerst mineralische vulkanische Verwitterungsboden (mit einem Hauch von Kalk im felsigen Untergrund) lässt in dieser unvergleichlichen Terroir-Enklave Rieslinge entstehen, die ihrer minzigen, kräuterwürzigen Noten und ihrer weißen und gelben Aromen wegen an der Nahe stilistisch einzigartig sind. Für Tim Fröhlich hat die Kupfergrube stets die etwas kühlere Aromatik als der benachbarte Felsenberg. Letzterer hat Aromen in Richtung weiße Früchte, die Kupfergrube fällt eher bissig mit Grapefruitaromen und strahlender aus. Verrückt, wenn man bedenkt, dass beide Lagen in etwa lediglich 150m voneinander entfernt liegen!
Im Jahrgang 2023 galt es rasch zu sein. Innerhalb von zwei Tagen las Tim mit seinem Team alle Schlossböckelheimer Parzellen. „Wenn die Trauben goldgelb werden geht es ruckzuck, man muss hier tierisch aufpassen!“ so Tim Fröhlich. Dabei fährt er den Riesling hier lieber zwei Tage früher ein als zu spät. Denn schnell verliert der Wein dann seine Straffheit. „Die Spreu trennt sich vom Weizen im Jahrgang 2023, es hängt eben davon ab wie konsequent man gearbeitet hat.“ Wenige Stunden entscheiden also, auch wenn alle Schritte im Weinberg übers Jahr korrekt vollzogen wurden über die finale Güte des Weins. „Schlossböckelheim ist früher dran, Monzingen und vor Ort in Bockenau hat man etwas mehr Zeit.“ Dieses Fingerspitzengefühl für die Sensibilität der Lage zahlt sich letztendlich aus. Das Große Gewächs zeigt sich dieses Jahr besonders drahtig und von athletischer Spannung. Ja, die Kupfergrube hat gegenüber dem Felsenberg in Punkto Präzision gar die Nase vorn. Reduktionsfanatiker und Liebhaber der „Flintstone-Rieslinge“ der Fröhlichs finden 2023 ihr Glück im Felseneck und Frühlingsplätzchen. Die Kupfergrube zeigt noch jung bereits etwas mehr Rieslingfrucht. Im Grundcharakter haben wir es hier aber mit einem ganz reduzierten Typ Riesling zu tun, der eher flintig und fein als fruchtbetont ausfällt. „Meine Weine sollen kristall klar und präzise sein.“, so Tims Leitmotiv. Mit der Kupfergrube haben wir einen Riesling, der diesem Anspruch voll und ganz gerecht wird und in seiner Komplexität in der Liga der Großen Gewächse spielt. Riesling für Puristen, Terroir-Fanatiker und alle, die keine schmusig-fruchtigen Rieslinge mögen, sondern würzigen Wein. Stichwort Würze! Die spielt hier ihren Trumpf aus, dominiert die Frucht, welche an Williams-Birne, Kaktusfeige und Sternfrucht erinnert sowie weiße Johannesbeeren. Am Gaumen erleben wir dann aber ein einen satten und ausgewogenen Riesling mit dezent seidiger Textur. 2023 gelingt eine atemberaubende Dramaturgie ohne den Rieslingliebhaber im jugendlichen Stadium hinter sich zu lassen. Denn die Brillanz und Klasse erschließt sich auf den ersten Blick, wird aber auch mit Reife nichts an ihrer Faszination verlieren. Diese seltene Verbindung – wir erwähnten es bereits mehrfach in unseren Jahrgangsberichten –findet an der Nahe vielleicht ihren höchsten Ausdruck. Schäfer-Fröhlich ist hierfür dann gewiss eine der allerbesten Adressen, wenn man wissen will, wo in puncto Riesling 2023 die Messlatte anzusetzen ist.
Wissenswert: der stilistischen Verschlankung der Kupfergrube gingen viele Jahre der Entwicklung voraus. Nach der Übernahme der Parzelle im Jahr 2004 und der sorgfältigen Regenerierung der Böden durch das „Dream-Team“ (u. a. Einbringung von Stroh im Weinberg, um den vom Vorbesitzer eingebrachten Stickstoff aus dem Boden zu ziehen) zeigt sich die Kupfergrube Jahr für Jahr mehr in ihrer exotischen Frucht reduziert. „Kraft und geschmeidige Eleganz“ (so die Laudatio des Gault&Millau) bilden hier keinen Gegensatz, sondern zwei betörende Seiten einer Medaille, die das Faszinosum dieses fabelhaften Rieslings ausmachen. Auf Stilmittel wie etwa bâtonnage, das Aufrühren der Hefe, um mehr Fülle in den Wein zu bekommen, verzichtet Tim bewusst. Er ist kein Freund dieser Technik, denn dies geht stets zu Lasten von Eleganz und Finesse, den beiden wichtigsten Eigenschaften, die Tim in seinen Weinen sucht, daher hat er seit einigen Jahren darauf konsequent verzichtet, um noch mehr Feinheit in den Weinen zu erzielen. Die Kupfergrube zeigt für uns eine ähnliche stilistische Weiterentwicklung, wie wir sie im letzten Jahrzehnt beim grandiosen Hubacker von Klaus Peter Keller miterleben durften. Tims Kupfergrube ist das nordische Exemplar zu so manch deutlich „mediterraner“ geprägten Wein aus einer Lage, die durch den genialen Tim Fröhlich eine atemberaubende Wiederbelebung erfahren hat. Wir ziehen unseren Hut vor diesem Meisterstück mit klarer Kante!
Ab sofort (einige Stunden karaffiert), Höhepunkt ab etwa 2027 bis nach 2045.